Inland

Was erfolgreiche Integration leisten muss

Chancen schaffen für die, die zu uns kommen und Sicherheit bieten für alle, die hier leben – in diesem Spannungsverhältnis bewegt sich die Herausforderung an eine gelungene Integrationspolitik. Fünf SPD-Spitzenpolitikerinnen forderten am Dienstag einen Integrationsplan für Deutschland.
von Vera Rosigkeit · 1. Dezember 2015
Fünf SPD-Spitzenpolitikerinnen stellen in Berlin einen „Integrationsplan Deutschland“ vor
Fünf SPD-Spitzenpolitikerinnen stellen in Berlin einen „Integrationsplan Deutschland“ vor

Warum ein Zukunftsplan für Deutschland? Warum jetzt? Für Malu Dreyer, Ministerpräsidentin aus Rheinland-Pfalz, liegt die Antwort auf der Hand. Viele Menschen, die jetzt als Flüchtlinge zu uns kommen, werden bleiben. Und die, die bleiben, „müssen wir von Anfang an integrieren“, erklärt Dreyer am Dienstag in Berlin. Dabei dürften Flüchtlinge nicht gegen Frauen oder Arbeitslose ausgespielt werden, warnt sie. Damit Integration Chancengleichheit für alle schaffe und den sozialen Zusammenhalt stärke, brauche Deutschland einen Integrationsplan. Und da es sich dabei um eine ressortübergreifene Querschnittsaufgabe handelt, ist Dreyer gleich auf mehrere Ministerinnen zugegangen, um diesen Plan zu entwickeln.

Weg mit dem Kooperationsverbot

Sie selbst ist sich in einem Punkt schon mal sicher: „Wir müssen das Kooperationsverbot für Bildung aufgeben.“ Der Bund müsse helfen können, um eine bessere Bildung für die Integration zu finanzieren. Dreyer: „Das ist ein wichtiger Schritt.“

Ein weiterer wichtiger Schritt betrifft die Sicherheit. Staatsministerin Aydan Özoğuz erinnert an die vielen Angriffe auf Flüchtlingsheime in diesem Jahr. „Dem müssen wir begegnen“, sagt sie. Um die gesellschaftliche Integration zu fördern, will die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration verstärkt muslimische Vereine und Verbände ansprechen. „Für viele Flüchtlinge aus arabischen Ländern werden die Moscheegemeinden wichtige Anlaufstellen sein“, so Özoğuz.

Sicherheit schaffen für Frauen

Aber auch die Situation von Frauen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, liegt ihr am Herzen. Frauen seien einem höheren Risiko körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt, sagt sie und erklärt: „Wir brauchen mehr Schutzräume für Frauen.“

Die Unterstützung von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ist ihr gewiss. Es sei ein Fehler früherer Integrationsversuche gewesen, sich nur auf die männliche Arbeitskraft zu konzentrieren, sagt Schwesig. Und es wäre heute ein Fehler, den Familiennachzug beschränken zu wollen, denn „wir brauchen die Frauen und Kinder für die Integration“. Vielmehr müssten Frauen gefördert und Kinder gut betreut werden, fordert sie.

Der Kita komme dabei eine besondere Aufgabe zu. Mindestens 80 000 zusätzliche Kita-Plätze und mehr als 20 000 zusätzliche Stellen für Erzieher würden benötigt. Die zwei Milliarden Euro, die der Bund mit dem Wegfall des Betreuungsgeldes bis 2018 einspare, würden bereits in die Verbesserung von Kinderbetreuung fließen, so Schwesig. Zusätzlich sollten künftig eine Milliarde Euro jährlich in eine Kita-Qualitätsoffensive investiert werden.

Die Fachkräfte von übermorgen

Flüchtlinge schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren ist das Ziel von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Sie will Sprachkurse und Maßnahmen zum Berufseinstieg zeitlich miteinander verbinden. „Das hilft uns, dass unsere Integrationsbemühungen noch schneller greifen“, ist Nahles überzeugt. 100 000 zusätzliche Plätze in Arbeitsgelegenheiten sind geplant. Damit will Nahles niedrigschwellige Einstiegswege in den Arbeitsmarkt bereitstellen.

Kommunen könnten von dieser Unterstützung durch Flüchtlinge profitieren. Und für Flüchtlinge könnten sie ein erster Schritt sein, um Erfahrungen zu sammeln, so Nahles. Die Kosten pro Jahr werden auf 450 Millionen angesetzt. Weitere 500 Millionen will Nahles für Qualifizierung in Ausbildung insbesondere für Jugendliche bereitstellen. „Das sind die Fachkräfte von übermorgen“, sagt sie.

Wohnraum muss bezahlbar sein

Und für alle muss es bezahlbaren Wohnraum geben. Die SPD verstehe sich seit je her auch als Partei der Mieter, erklärt Bundesbauministerin Barbara Hendricks. Jährlich 350 000 neue Wohneinheiten würden wir brauchen, sagt sie. Die Gelder für den sozialen Wohnungsbau wurden bereits auf insgesamt vier Milliarden Euro bis 2019 verdoppelt. Um weitere 300 Millionen Euro solle das Programm Soziale Stadt aufgestockt werden. „Aus städtebaulicher Sicht bedeutet Integration vor allem, Ghettoisierung zu vermeiden“, sagt Hendricks.

Die SPD-Spitzenpolitikerinnen rechnen mit mehr als 900 000 Flüchtlingen in diesem Jahr. Statt Adhoc-Lösungen und „Scheinvorschläge aus Bayern“ wollen sie mit ihrem Integrationsplan ein geschlossenes Konzept vorlegen, sagt Malu Dreyer. „Für uns ist es nicht nur eine Querschnittsaufgabe, wir machen das auch zusammen“, erklärt sie. Der Integrationsplan Deutschland sei das erste geschlossenen Integrationskonzept, fügt sie hinzu. Fünf Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen wolle man pro Jahr mobilisieren. Dreyer: „Investieren wir nicht, werden die Folgekosten höher sein."

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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