Inland

Was die SPD in 15 Monaten Regierungsbeteiligung erreicht hat

Seit März 2018 arbeitet die schwarz-rote Bundesregierung. In diesen gut 15 Monaten haben die sozialdemokratischen Ministerinnen und Minister zahlreiche Vorhaben durchgesetzt, die sie im Koalitionsvertrag mit der Union ausgehandelt hatten. Der »vorwärts« hat die SPD-Kabinettsmitglieder gefragt, was ihnen besonders wichtig war und was sie als Nächstes planen.
von Vera Rosigkeit · 31. Juli 2019
Seit März 2018 ist die schwarz-rote Bundesregierung im Amt.
Seit März 2018 ist die schwarz-rote Bundesregierung im Amt.

Frauen und Familie

In den ersten Monaten ihrer Regierungsarbeit sei für sie das Gute-­Kita-Gesetz „klar am wichtigsten“ gewesen, betont Franziska Giffey. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist der festen Überzeugung, „dass die Qualität der Betreuung unserer Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nationale Zukunftsaufgaben sind“. Mit 5,5 Milliarden Euro bis 2022 werden die Länder erstmals vom Bund im Bereich der frühkindlichen Bildung unterstützt. Für Giffey ein riesiger Schritt für mehr Qualität bei der Kinderbetreuung, der gleichzeitig Familien mit kleinen Einkommen von den Kita-Gebühren entlaste.

Eltern unterstützen, die erwerbstätig sind, aber trotzdem finanziell kaum über die Runden kommen, sei auch Ziel des Starke-Familien-Gesetzes, sagt die Ministerin. Es sorge dafür, dass diese Familien nicht wegen ihrer Kinder in Hartz IV fallen. „Das erste Mal sichern wir das Existenzminimum jedes Kindes in Deutschland.“ Für sie eine wesentliche Grundlage für eine Kindergrundsicherung in der Zukunft. Dazu werde der Kinderzuschlag angehoben und vereinfacht. Giffey: „Vor allem Alleinerziehende haben wir mit dieser Reform besser gestellt.“

Am Herzen liege ihr auch die Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher, denn nur mit ausreichend Personal könnten die Herausforderungen in der frühkindlichen Bildung gestemmt werden. „Dazu gehört, dass eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, dass qualifizierte Anleitung in der Praxis und Aufstiegsmöglichkeiten gefördert werden“, ist Giffey überzeugt. Mit der Einführung der neuen Pflegeausbildungen zum 1. Januar 2020 werde auch die Ausbildung in der Pflege attraktiver, weil niemand mehr Schulgeld bezahlen müsse, sagt sie. Gemeinsam mit ihren Ministerkollegen Hubertus Heil (SPD) und Jens Spahn (CDU) arbeite sie in der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) daran, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, z.B. soll ein Tarifvertrag für bessere Löhne in der Pflege sorgen.

„Das sind Meilensteine, auf die wir stolz sein können,“ betont Giffey. Als nächstes wolle sie die Länder beim Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter unterstützen und für Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz schaffen, beschreibt Giffey ihre kommenden Vorhaben. Gleichwohl täusche das nicht darüber hinweg, „dass wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mehr vorstellen könnten“, gibt sie zu Bedenken. „Darum erarbeiten wir parallel Konzepte, die SPD pur enthalten und mit denen wir beim nächsten Wahlkampf antreten können.“ 

Arbeit und Soziales

Gesellschaftlicher Zusammenhalt fällt nicht vom Himmel. Deshalb sei sein wichtigstes Projekt, „das Leben der Menschen ganz konkret zu verbessern und so den Zusammenhalt zu stärken“, sagt  der Bundesminister für Arbeit und Soziales  Hubertus Heil. Für dieses Ziel „haben wir in relativ kurzer Zeit schon einiges erreicht“, fügt er hinzu.  Mit der sogenannten doppelten Haltelinie werde das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent gehalten, gleichzeitig steige der Beitragssatz zur Rentenversicherung nicht über 20 Prozent. Zudem „haben wir die Erwerbsminderungsrente verbessert und die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung gesenkt“, betont Heil. Der Rechtsanspruch auf eine Brückenteilzeit verhelfe dazu, die Teilzeitfalle, von der vor allem Frauen betroffen seien, zu beenden. Und beim Starke-Familien-Gesetz fördere sein Haus „Bildung und Teilhabe für die Zukunft unseres Landes, unsere Kinder“.

Der neue soziale Arbeitsmarkt gebe langzeitarbeitslosen Menschen endlich eine Perspektive zurück in eine sinnstiftende Arbeit, sagt Heil. Das sei wichtig, weil Arbeit für ihn mehr sei als Broterwerb: „Arbeit bedeutet Anerkennung, Stolz und Selbstwertgefühl.“

Für den Bundesminister ist Deutschland eine Arbeitsgesellschaft. Er ist der festen Überzeugung, dass das auch so bleibt. „Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, aber sie wird anders sein“, ist Heil sicher. Deswegen er setzt darauf, dass mit dem Qualifizierungschancengesetz und mit der Nationalen Weiterbildungsstrategie Beschäftigte von heute auch die Arbeit in der digitalen Welt von morgen machen können. Heil: „In der Versicherungswirtschaft und im Handel etwa werden wir starke Umbrüche erleben. Dafür sind wir jetzt gut aufgestellt.“ Und mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben wir endlich eine vernünftige Grundlage, die von den Unternehmen dringend benötigten Fachkräfte zu bekommen.

„Wir haben schon viel erreicht, aber etwa mit der Grundrente wollen wir noch wichtige Projekte abschließen, auf die die Menschen in diesem Land warten“, kündigt Heil an. 

Umwelt

Der Beschluss zum Kohleausstieg ist für Svenja Schulze das wichtigste Projekt ihrer Amtszeit, „denn das ist etwas wahrhaft Historisches!“, sagt die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Von Anfang an habe sie dafür geworben, im Miteinander einen Weg aus der Kohleverstromung zu finden. Die Kohlekommission sei ein ermutigendes Beispiel dafür, dass „wir in Deutschland gesellschaftlichen Interessensausgleich können“, erklärt Schulze. Sie sei auch Beleg dafür, wie eine sozial gerechte Klimaschutzpolitik funktioniere. „Wir werden damit das erste Land sein, das gleichzeitig aus Atom- und Kohlestrom aussteigt“, sagt sie. Dafür würden noch in diesem Jahr eine ganze Reihe von Gesetzen und Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. „Spätestens 2038 – wenn möglich schon früher – wird die klimaschädliche Kohleverstromung beendet werden“, betont Schulze.

Bis dahin stünden die Kohlereviere vor einem umfassenden Transformationsprozess. Bund und Länder werden die Kohlereviere in den nächsten 20 Jahren bei ihrem Wandel hin zu innovativen Energieregionen verlässlich unterstützen. „Auf ihrem Weg lassen wir sie nicht im Stich“, verspricht Schulze. Sie könnten als Vorbild für andere Transformationsprozesse dienen, wie sie zum Beispiel in der Autoindustrie oder der Grundstoffindustrie anstehen.

Schulze ist sich bewusst, dass beim Umwelt- und Klimaschutz die Herausforderungen enorm sind, „deswegen können wir die Schalter auch nicht von heute auf morgen komplett umlegen“, sagt sie. Um die Erderwärmung in den Griff zu bekommen, das Artensterben aufzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Müllberge endlich kleiner werden, seien couragierte, aber auch sozial gerechte Entscheidungen notwendig.

„Woche für Woche spiegeln uns die Jugendlichen, dass wir nicht weiter trödeln dürfen.“ Schulze gibt den jungen Leuten, die jeden Freitag für Klimaschutz auf die Straße gehen, recht. Sie habe mit dem Klimaschutzgesetz einen „Klima-Generationenvertrag“ vorgeschlagen, der nun zügig verabschiedet werden müsse. Die Ministerin ist froh, „dass jetzt im Klimakabinett alle Verantwortlichen an einem Tisch sitzen, um ein Maßnahmenpaket auf den Weg zu bringen, mit dem wir unsere Klimaziele 2030 erreichen können“. Die SPD sei die treibende Kraft bei diesem Thema, das stimmt die Bundesministerin optimistisch. Schulze: „Noch zufriedener wäre ich, wenn die Union endlich das ständige „Nein-Sagen“ beenden und beim Wettbewerb der besten Ideen mitmachen würde.“

Außen

Für Bundesaußenminister Heiko Maas ist klar: „Unsere Außenpolitik muss stets dem Frieden verpflichtet sein.“ Europa und die Europäische Union bildeten dabei das Rückgrat dieser Politik. In einer Zeit, in der „unser Kontinent von innen wie von außen zunehmend unter Druck gerät, wollen wir die Souveränität Europas ausbauen“, erklärt Maas. Denn um international einen Beitrag leisten zu können, müsse Europa stark sein und gemeinsam handeln. Das müsse das deutsche Angebot an Europa sein: „Wir wollen Trennendes überwinden! Wir wollen ein Garant sein für die innere Einheit und Stärke Europas, damit Europa die Hoffnungen der Europäerinnen und Europäer und die Erwartungen der Welt besser erfüllen kann.“ Damit das gelingt, müsse sich auch Deutschland bewegen, ist er überzeugt.

Ein vereintes Europa „#EuropeUnited“ ist für Maas auch die Antwort auf „America First“. Die Beziehungen mit den USA gelte es neu zu vermessen, „nicht um sie hinter uns zu lassen, sondern um sie zu erneuern und zu bewahren“.

Als Außenminister steht er zudem dafür, Abrüstung wieder auf die internationale Tagesordnung zu setzen: „Mit großen technologischen Entwicklungen geht auch große menschliche Verantwortung einher“, ist er überzeugt. Der Erhalt einer stabilen Architektur von Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sei für ihn keine Frage des Zeitgeists, sondern eine Überlebensfrage für die gesamte Menschheit. Im Verhältnis zu Russland plädiert Maas für einen Dialog der klaren Worte. Er bedauert, dass sich Russland „immer mehr in Abgrenzung, ja teilweise Gegnerschaft zu vielen im Westen definiert“. Gegenüber China gelte es „unser Modell von Demokratie und Freihandel selbstbewusst“ zu vertreten. Die multilaterale Ordnung stehe unter Druck. Protektionismus, Populismus und Nationalismus seien auf dem Vormarsch. „An einem Verwildern der Weltordnung können gerade wir Deutschen kein Interesse haben“, betont Maas. „Wir müssen gegenhalten, so gut es geht.“ Er setzt auf eine verlässliche internationale Zusammenarbeit. Er ist überzeugt: „Klimawandel, Migration, Digitalisierung – die großen Herausforderungen werden wir nur international lösen können.“

Dieser Beitrag erschien zunächst in der „vorwärts“-Ausgabe 3/2019.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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