Warum sich Wohnungsbau in NRW wieder lohnt
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Herr Groschek, Sie propagieren eine „vertikale Verdichtung“ der Städte, schwärmen von „Dörfern in der Vertikalen“. Stehen uns Hochhaussiedlungen bevor, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren gebaut wurden?
Ich habe das Thema „vertikale Dörfer“ in die Diskussion gebracht, weil es in den Ballungsräumen und Großstädten nicht genügend Bauland gibt, um in den kommenden Jahren genügend Wohnungen errichten zu können. Wir müssen heute unsere Städte dichter und kompakter bebauen, um in einem so dicht besiedelten Land wie NRW die verbleibenden Frei- und Landschaftsräume zu schonen. Aber das dichte Bauen soll trotzdem -eine Ausnahme bleiben. Wir haben nur in den Großstädten, in denen es die größte Nachfrage nach Wohnraum gibt, die ehemalige Begrenzung von vier Vollgeschossen im geförderten Wohnungsbau auf sieben Vollgeschosse erhöht. Damit wollen wir weiteren Spielraum für die Investoren schaffen.
In den alten Hochhaussiedlungen gab es oft soziale Probleme, bis hin zu Gewalt und Vandalismus. Wie verhindern Sie, dass auch die vertikalen Dörfer soziale Ghettos werden?
Es stimmt, dass in der Vergangenheit bei der Errichtung von Hochhaussiedlungen Fehler gemacht wurden. Zum einen sind ganze Hochhaussiedlungen entstanden, mit vielfach völlig überproportionalem Anteil an geförderten Wohnungen. Zum anderen befinden sich diese Siedlungen fast ausschließlich in der äußeren Stadtrandlage, das heißt, sie sind oft sozial isoliert, wenig urban und schlecht an den ÖPNV angebunden. Diese Fehler werden wir nicht wiederholen. Heute verdichten wir nur an integrierten Standorten und nur in überschaubarem Maße.
Vor allem in den Städten haben Normal- und Geringverdiener Probleme, bezahlbare Wohnungen zu finden. Sie wollen als Minister den sozialen Mietwohnungsbau wieder ankurbeln. Wie kann das gelingen?
Damit es auch künftig gerade in den teuren Groß- und Universitätsstädten genügend bezahlbaren Wohnraum gibt, hat das nordrhein-westfälische Bauministerium 2015 die Wohnungsbauoffensive ins Leben gerufen. Wir haben die Förderbedingungen deutlich verbessert. Zudem haben wir die Tilgungsnach-lässe, also den teilweisen Rückzahlungsverzicht, landesweit ausgedehnt und erhöht. Wohnungen, in denen zunächst Flüchtlinge untergebracht werden, müssen künftig auch anderen Bevölkerungsgruppen angeboten werden, dafür haben wir ein spezielles Programm aufgesetzt.
Welche Anreize haben Sie für Investoren geschaffen, damit die nicht nur teure Luxuswohnungen bauen?
Der geförderte Wohnungsbau in NRW ist heute so rentabel wie der frei finanzierte. Wir merken das erfreulicherweise auch an der enorm gestiegenen Nachfrage. Deswegen haben wir kürzlich unser Fördervolumen von 800 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro jährlich angehoben. Man kann ganz klar sagen: Beim sozialen Wohnungsbau haben wir im vergangenen Jahr den Durchbruch geschafft. NRW ist bundesweit Vorreiter.
Beim Bau von Wohnungen für Geflüchtete haben sie einige Standards gesenkt, so sind Balkone und Autoparkplätze keine Pflicht mehr. Könnte dies insgesamt Vorbild für den Wohnungsbau sein, um die Baukosten zu senken?
Bei der Förderung von Neubauten für Flüchtlinge wurde die Möglichkeit geschaffen, sogenannte Freisitze, wie beispielsweise Balkone, zunächst lediglich technisch vorzusehen, denn hier werden in der Regel zur Beschleunigung der Bauvorhaben vorgefertigte Gebäudeteile verwendet. Falls der Bauherr diese Op-tion wählt, muss der Balkon zwar nicht sofort baulich realisiert werden, allerdings ist der Nachweis der Nachrüstbarkeit Voraussetzung für eine Förderung. Bei einer späteren Nutzung sind die Balkone dann nachzurüsten. Nach Rückmeldungen aus der Praxis wird die Option allerdings wenig genutzt, denn mit Blick auf die Wohnqualität und dauerhafte Vermietbarkeit der Förderobjekte entscheiden sich viele Investoren vernünftigerweise für die ökonomischere sofortige Anbringung von Balkonen. Stellplätze sind bauordnungsrechtlich grundsätzlich auch für Flüchtlingsunterkünfte bzw. -wohnungen nachzuweisen, jedoch nur in geringer Zahl für das Aufsichtspersonal und gegebenenfalls für Besucher. Wir gehen damit flexibel und bedarfsgerecht auf die jeweilige Baumaßnahme ein.
Neben Familien und Geringverdienern leiden vor allem Studenten unter der Wohnungsknappheit. Was tun Sie speziell in den Universitätsstädten, um die Situation zu verbessern?
Die Landesregierung fördert bereits seit 2009 studentischen Wohnraum. Nach ersten Pilotprojekten wurden studentische Wohnprojekte und seit 2013 auch Studentenwohnheime an den Hochschulstandorten durch das Bauministerium in der Entwicklung komplett begleitet und gefördert. Zwischenzeitlich wurden an 14 Hochschulstandorten rund 140 Millionen Euro Fördermittel in etwa 2800 Wohnplätze für Studierende investiert, davon allein im vorigen Jahr aufgrund unserer nochmals verbesserten Förderkonditionen circa 38 Millionen Euro in rund 800 Wohnplätze. Aktuell stehen für die Förderung von studentischen Neubauprojekten und der Entwicklung von Bestandsgebäuden jährlich 50 Millionen Euro zur Verfügung.
Gab es Versäumnisse in den vergangenen Jahren und welche Lehren sollte man daraus ziehen?
Wir müssen die Investoren weiter davon überzeugen, dass sich sozialer Wohnungsbau lohnt. Und das gelingt inzwischen immer besser. Wichtig ist, wieder mehr Wohnungen mit sozialen Bindungen zu belegen und somit für bezahlbare Wohnungen in ganz NRW zu sorgen.
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