Während der Finanz- Wirtschafts-, Griechenland- und Eurokrise hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Tarifparteien für ihre kooperative Haltung gehätschelt und besonders die Gewerkschaften
gelobt. Die Zurückhaltung bei der Tarifpolitik, der Verzicht auf Einkommen durch den massiven Einsatz der Kurzarbeit und der Arbeitszeitkonten sowie die Bereitschaft der Arbeitgeber, die
Belegschaften auch in Krisenzeiten weiter zu beschäftigen, haben maßgeblich zu einem "Beschäftigungswunder" beigetragen. Jetzt müssen die Menschen in Deutschland allerdings leidvoll erfahren: In
der Politik gibt es keine Dankbarkeit.
Die von der Bundesregierung beschlossenen Sparmaßnahmen zu Lasten von Arbeitslosen, Familien, Alleinerziehenden mit ihren Kindern läuten ein bitteres Ende der "Gemeinsamkeiten" ein. Bei der
Bundestagsdebatte um den Bundeshaushalt 2011 hat die Bundesregierung unmissverständlich klar gemacht: Sie wird ihre unsoziale Kürzungspolitik auf dem Rücken der sozial Schwachen ohne Abstriche
durchziehen. Gleichzeitig beschwören Bundestagsredner der Regierungskoalition immer wieder die angebliche Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen.
Massive Einschnitte im Sozialetat
Besonders zynisch ist es, die heute in Hartz IV lebenden Kinder in noch größeres Elend zu stürzen, weil man künftige Kindergenerationen schonen will. Natürlich ist es unerträglich, welche
Schuldenberge aufgehäuft wurden. Dies ist aber nicht die Verantwortung der Sozialetats und schon gar nicht der Sozialleistungsempfänger. Doch der Hauptbrocken der Kürzungen der Bundesregierung
mit annähernd 40 Prozent von den vorgesehenen 80 Mrd. Euro für die kommenden vier Jahre bleibt beim Sozialetat hängen. Die soziale Schieflage wird erheblich verschärft, da die angekündigten
Sparmaßnahmen zu Lasten der Wirtschaft- von den Energieriesen bis zu den Finanzkonzernen - skandalöse Täuschungsmanöver durch Luftbuchungen darstellen.
Auch bei der Haushaltsdebatte im Bundestag verteidigte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, assistiert von Bundesfamilienministerin Schröder, gebetsmühlenartig die massiven
Einschnitte in ihrem Sozialetat. Offensichtlich verdrängt sie die verheerenden Folgen durch das Streichen der Zuschläge auf die ALG II Leistungen (240 Euro im Monat für Alleinstehende und das
Doppelte für Verheiratete für zwei Jahre) für diejenigen Arbeitslosen, die nach langen Jahren harter Arbeit und Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in die Bedürftigkeit von Hartz
IV abstürzen.
Oder was ist mit den Eltern und Alleinerziehenden in Hartz IV, denen jetzt das Elterngeld von 300 Euro im Monat gestrichen werden soll? Bei solchen gravierenden Einschnitten in die
äußerst knapp bemessenen Regelleistungen von ALG II - was erst kürzlich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt und Verbesserungen eingefordert wurde - werden gerade die Schwächsten in der
Gesellschaft weiter nach unten gedrückt. Für die Lebenssituation dieser Familien, Alleinerziehenden und ihrer Kinder am unteren Rande unserer Gesellschaft ist es wenig tröstlich, dass Ursula von
der Leyen als Ersatz ein Bildungspaket mit Chipkarte und Hilfen für Lernförderung, Sport- oder Musikunterricht anbietet. Damit lassen sich weitere Stigmatisierungen von Kindern aus Hartz IV
Familien kaum ausgleichen.
"Basisgeld" statt Hartz IV
Dafür winken zusätzliche Aufträge und Gewinne für private Chip-Herstellerfirmen sowie Einnahmen für Anbieter von Nachhilfe sowie sonstiger Sport- und Freizeitleistungen. Nur noch als Hohn
müssen es die betreffenden Menschen empfinden, wenn die Bundesarbeitsministerin mit begrifflichen Ausweichmanövern von der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuberechnung der Regelsätze
von Hartz IV ablenken will: Auch mit der von ihr kreierten neuen Etikettierung "Basisgeld "können sich die Menschen nicht aus der Hartz IV Falle befreien. Das Bundeskanzleramt hat diesen
beabsichtigen Etikettenschwindel durchschaut und abgewunken.
Und, für wie dumm sollen die Bundesbürger noch verkauft werden? Die massiven Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik werden geradezu als Hilfe zur Verbesserung der beruflichen Eingliederung
Langzeitarbeitsloser verkauft. Gegen weitere Wirksamkeitskontrollen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, die seit den Reformen der Bundesagentur für Arbeit 2002 mit großer Perfektion vorangetrieben
werden und immer noch verbessert werden können, ist sicher nichts einzuwenden. Damit jedoch 16 Milliarden Eurobis 2014 einzusparen und gleichzeitig mehr Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen,
gleicht der Quadratur des Kreises. Wo sollen denn die größeren Spielräume für die Mitarbeiter in den Job Centern herkommen, wenn gleichzeitig der finanzielle Rahmen massiv zusammengestrichen
wird?
Abgesehen davon, dass es gar nicht genügend arbeitsmarktpolitische Pflichtleistungen gibt, die in Ermessensleistungen umgewandelt werden können, wären vor allem benachteiligte Jugendliche
und Behinderte betroffen. Gerade diese Personen sollen jedoch nach dem ständig öffentlich erklärten Willen der Bundesregierung eher mehr gefördert werden.
Linke Tasche, rechte Tasche
Besonders erstaunlich ist die Aussage der Bundesarbeitsministerin zur vorgesehenen Streichung der Rentenversicherungsbeiträge für Langzeitarbeitslose. Danach können die bereits im
mehrfachen Kürzungsrunden auf 40 Euro abgesenkten Beiträge ganz abgeschafft werden, da damit nur Rentenleistungen von 2,09 Euro im Monat erworben würden, erklärte sie. Den Arbeitslosen täte dies
nicht weh, da sie von den 2,09 Euro im Monat nichts hätten. Dafür könnte die Bundesregierung 1,8 Mrd. Euro im Jahr sparen, 7,2 Mrd. Euro in vier Jahren. Dieses Geld würde dann allerdings in der
gesetzlichen Rentenversicherung fehlen und von allen Beitragszahlern zusätzlich aufgebracht werden müssen. Damit setzen die schwarz-gelben Koalitionäre die jahrzehntelangen Verschiebemanöver
zugunsten des Bundeshaushaltes und zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung weiter fort.
Die Schmälerung der Renten für die Arbeitslosen trifft letztlich auch die Kommunen. Sie müssen die späteren Armutsrenten der Arbeitslosen über die Grundsicherung auffangen und haben damit
noch weniger finanzielle Spielräume für die notwendigen Investitionen in Kinderbetreuung oder Bildung. Die Erklärung, warum Renten und Rentner bei dieser Kürzungsrunde ungeschoren davon kommen,
bleibt uns die Ministerin schuldig.
Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.