Inland

"Volksgesetzgebung unterläuft das Wechselspiel zwischen regierender Mehrheit und Opposition"

von Frank Decker · 30. Juni 2009
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Eine Direktwahl des Bundespräsidenten ist nicht sinnvoll. Sie würde das Amt legitimatorisch aufwerten, was zu seinen bescheidenen Kompetenzen nicht passt. Die Bundesrepublik ist mit dem "schwachen" Präsidenten gut gefahren. Dies schließt Verbesserungen am jetzigen indirekten Wahlverfahren nicht aus. So könnte man eine einmalige siebenjährige Amtszeit einführen oder eine Zweidrittelmehrheit in den beiden ersten Wahlgängen vorschreiben.

Die weitere Forderung nach einer Volksgesetzgebung, nach der die Bürger selber Gesetze initiieren und nötigenfalls gegen den Willen des Parlaments durchsetzen können, ist ebenfalls kritisch zu bewerten. Ein direktes Gesetzgebungsrecht des Volkes würde unweigerlich zu Konflikten zwischen dem plebiszitären und dem parlamentarischen Gesetzgeber führen. So ist es in Hamburg in den letzten Jahren mehrfach passiert, dass volksbeschlossene Gesetze von der Regierungsmehrheit wieder rückgängig gemacht wurden. Das könnte dann genauso auf der Bundesebene eintreten und zu einer Dauerauseinandersetzung um die Plebiszite führen.

Dass dies nicht die Lösung sein kann, beweisen die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern: Nirgendwo ist ein so weit reichendes Modell der Direktdemokratie wie die Volksgesetzgebung verwirklicht.

Das Hauptproblem der Volksgesetzgebung liegt also in ihrer Systemverträglichkeit. Indem sie den Primat der parlamentarischen Repräsentation aufhebt, unterläuft sie zugleich das Wechselspiel zwischen regierender Mehrheit und Opposition, auf dem die parlamentarische Demokratie basiert.

Auf der Bundesebene kommt noch hinzu, dass hier zusätzlich die Frage einer angemessenen Beteiligung des Bundes­rates an den Plebisziten gelöst werden müsste. Weil die Vertreter von "Mehr Demokratie" diese Schwierigkeiten einfach ausblenden, blockieren sie selbst eine sinnvolle Diskussion, ob man direktdemokratische Elemente in das Grundgesetz einführen sollte.

Deshalb wäre es an der Zeit, die Debatte endlich vom Kopf auf die Füße zu stellen und sich von der nicht praktikablen Illusion eines plebiszitären Gesetzgebungsrechts zu befreien.

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Autor*in
Frank Decker

ist Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn.

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