Inland

Verlässlichkeit für Deutschlands vergessene Kinder

von Nathalie Sopacua · 23. Dezember 2010
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Schätzungen gehen von 3 Millionen Kindern bundesweit aus, die bei einem psychisch kranken Elternteil aufwachsen - allein in Berlin leben 20.000 vergessene Kinder.

In der Regel sorgen sich psychisch kranke Eltern um das Wohl ihrer Kinder, sind aber aufgrund ihrer eigenen Situation oft auch überfordert. Gerade in akuten Krankheitsphasen nehmen sie die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht mehr wahr. Um diese Lücke zu füllen, stellt der Berliner Jugendhilfeträger Ambulante Sozialpädagogik Charlottenburg (AMSOC) den Kindern seit fünf Jahren ehrenamtliche Paten zur Seite. Sie betreuen das Kind regelmäßig, ohne es ständig zu versorgen: indem sie sich mindestens einmal in der Woche und an einem Wochenende im Monat zuhause um ihr Patenkind kümmern.

In akuten Notsituationen wohnt der Junge oder das Mädchen bis zu acht Wochen bei den Paten - und muss so nicht in unterschiedlichen Pflegefamilien oder Heimen untergebracht werden, was für viele der Kinder zu traumatischen Erlebnissen führen kann. Die Bindung zwischen Paten und Kind ist von vornherein auf lange Sicht angelegt, denn nur dann macht sie auch Sinn. Gewünscht ist, dass sich die Paten um die Kinder bis zur Volljährigkeit kümmern. Dabei sollen sie den erkrankten Elternteil nicht ersetzen, sondern ausdrücklich ergänzen.

Es braucht mindestens eine sichere Bindung
Katja Beeck, die das Patenschaftsangebot vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat, hat Gruppen erwachsener Kinder psychisch erkrankter Eltern geleitet und berät selbst seit knapp zehn Jahren betroffene Kinder ehrenamtlich. Sie hat daher immer wieder erfahren, wie wichtig eine stabile Bezugsperson für diese Kinder ist, die ihnen Orientierung, Halt und Geborgenheit geben kann. Und auch, was es für das Leben dieser jungen Menschen bedeutet, wenn diese fehlt. "Wer in seiner Kindheit keine sichere Bindung zu mindestens einem Erwachsenen aufbauen kann, wird später wahrscheinlich selbst psychische Probleme bekommen", erklärt Beeck. Das ist inzwischen auch in der Wissenschaft Konsens. Demnach weist ein Drittel der Kinder mit psychisch kranken Eltern keine Beeinträchtigung auf, ein Drittel vorübergehende Auffälligkeiten, und ein weiteres Drittel ist gefährdet.

Alle Bewerber für eine Patenschaft müssen zunächst einen umfänglichen Fragebogen ausfüllen, ein Führungszeugnis vorlegen, sie werden gründlich befragt und Zuhause besucht. Doch Grundvoraussetzung für das Zustandekommen einer Patenschaft ist letztlich die Einwilligung des psychisch kranken Elternteils. Den ersten Schritt muss ohnehin die erkrankte Mutter beziehungsweise der Vater tun. Kein Elternteil wird gezwungen, eine solche Patenschaft einzugehen. Doch letztlich profitieren auch sie davon, dass ihr Kind zu einer anderen Bezugsperson eine emotional stabile Beziehung aufbauen kann: Sie werden im Alltag entlastet und haben die Gewissheit, dass ihr Kind auch in akuten Situationen wie bei einem Klinikaufenthalt gut untergebracht ist. Auch für sie ist Verlässlichkeit ein wichtiger Faktor.

Ruhm und Ehre, aber keine Verlässlichkeit

Doch damit sowohl den Kinder als auch den psychisch kranken Eltern Verlässlichkeit garantiert werden kann, muss auch das Patenschaftsprojekt auf finanziell verlässlichen Beinen stehen. Das aber ist nicht der Fall: Bislang hat das Angebot nur durch zeitlich begrenzte Stiftungsförderungen und einzelne Spenden überleben können.

Eine staatliche Förderung gibt es nicht, obwohl die Patenschaften im Laufe der Jahre Zuspruch von allen Seiten erfahren haben: Allein in diesem Jahr wurde das Projekt als "Ausgewählter Ort 2010" im Rahmen der deutschlandweiten Kampagne "Deutschland Land der Ideen" gewürdigt und mit dem Aspirin Sozialpreis (2. Platz) bedacht. Erst im Oktober war es eines von drei Angeboten, für das beim TRIBUTE TO BAMBI Spenden gesammelt wurden. Viel Ruhm und Ehre also, aber keine stabile Finanzierungsgrundlage. Deshalb sucht das AMSOC-Patenschaftsangebot nun 2015 so genannte Verlässlichkeitsgeber, Privatpersonen und Unternehmen, die das Angebot dauerhaft mit mindestens 50 Euro jährlich unterstützen.






Weitere Informationen zum Patenschaftsangebot unter www.amsoc-patenschaften.de und unter www.verlässlichkeitsgeber.de

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