Verantwortung aus Prinzip: Richard von Weizsäcker
Seit der Auseinandersetzung mit der Geschichte seiner eigenen Familie war für Richard von Weizsäcker die Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn – in besonderer Weise mit Polen – das entscheidende Lebensthema. Gegen alle Familientradition hatte er sich 1954 parteipolitisch festgelegt und sich der CDU angeschlossen. Seine integre, intellektuelle Eigenständigkeit hat er sich in allen politischen Debatten jedoch bewahrt.
Früher als andere hatte er die politische und moralische Richtigkeit der sozialdemokratischen Ostpolitik erkannt und sich als Abgeordneter engagiert dafür eingesetzt. Der Kniefall Willy Brandts in Warschau am 7. Dezember 1970 wirkte damals wie ein Fanal in die Welt hinein und rief dennoch im eigenen Land noch immer vereinzelte empörte Reaktionen hervor.
Deutschlands Verantwortung für die Hitler-Diktatur
Richard von Weizsäckers Eingeständnis der Mitverantwortung an der Katastrophe der Hitler-Diktatur, auch der deutschen Eliten, vom 8. Mai 1985 war bereits zu dessen Lebzeiten als große historische Leistung anerkannt: Zum ersten Mal sprach ein Staatsoberhaupt vom Tag der Befreiung statt vom Tag der Kapitulation. Er rief seine Landsleute auf, der Wahrheit endlich gerecht zu werden und Verantwortung für die Geschichte zu übernehmen. Wie Willy Brandts einzigartige Geste es anderthalb Jahrzehnte zuvor erreicht hatte, veränderte diese Rede das Geschichtsverständnis der Deutschen nachhaltig. Die eindeutigen und klaren Worte des Bundespräsidenten und die innere Haltung, die darin zum Ausdruck kam, erwarben Vertrauen bei den Nachbarn und mehrten zugleich Deutschlands Ansehen in der Welt.
In großer staatsmännischer Weitsicht hat Richard von Weizsäcker den deutschen Einigungsprozess begleitet und den Menschen in Ost und West Orientierung in dieser schwierigen Zeit des Umbruchs gegeben. Unermüdlich warb er bei unseren Nachbarn um Vertrauen für ein neues Deutschland.
Richard von Weizsäcker war fest in seinem Glauben verankert, auch sein überzeugtes Christsein machte seine prinzipientreue Persönlichkeit aus.
Wir trauern mit vielen Menschen um einen großen, beliebten Bundespräsidenten und einen herausragenden Politiker, der sich um sein Land und Europa verdient gemacht hat. Sein Lebenswerk wird über seinen Tod hinaus Bestand haben.