Inland

Urteil im Fall Pham Phi Son: Mutter und Tochter droht die Abschiebung

Pham Phi Son, ehemaliger Vertragsarbeiter in der DDR, wird weiter geduldet – seine Frau und die gemeinsame Tochter nicht. Sie beide könnten abgeschoben werden. Der „vorwärts“ hat mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat über den Fall gesprochen.
von Sebastian Thomas · 17. Mai 2023
Familie Pham droht die Trennung: Die Chemnitzer Ausländerbehörde verlängerte nur die Duldung von Pham Phi Son (l.). Seiner Frau Hoa Nguyen und seiner in Deutschland geborenen Tochter Emilia droht die Abschiebung.
Familie Pham droht die Trennung: Die Chemnitzer Ausländerbehörde verlängerte nur die Duldung von Pham Phi Son (l.). Seiner Frau Hoa Nguyen und seiner in Deutschland geborenen Tochter Emilia droht die Abschiebung.

Der Familie des seit über 30 Jahren in Deutschland lebenden Pham Phi Son droht die Abschiebung. Während die Chemnitzer Ausländerbehörde dem heute 65-Jährigen die Duldung verlängerte, verweigerte sie es mit Blick auf seine Frau Hoa Nguyen und seiner Tochter Emilia. Laut der „taz“ bestätigte Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat die momentane Sachlage.

Die Behörde würdige mit der Duldung die lange Aufenthaltszeit, spreche der Familie aber die Familieneigenschaft ab, sagte Dave Schmidtke gegenüber der „taz“. Er wies daraufhin, dass die Entscheidung ein „überholtes Familienbild“ zugrunde liege. Son und seine Frau Hoa Nguyen hätten in Vietnam nach einem traditionellen Ritual eine Ehe geschlossen, jedoch nicht standesamtlich. Wenige Tage zuvor sprach der „vorwärts“ mit Dave Schmidtke über den Fall der Familie Pham.

Herr Schmidtke, wie ist die momentane Lage der Familie?

Obwohl die Familie vollumfänglich mit den Behörden kooperiert, gerät ihr Aufenthalt weiter ins Wanken. Beide Elternteile haben ohne Probleme ihre Sprachtests bestanden und entsprechende Zertifikate bei der Ausländerbehörde Chemnitz eingereicht. Außerdem endete die Befristung der Arbeitsverhältnisse von Frau Nguyen und Herrn Pham. Der Chef des Gastronomiebetriebes hat also Wort gehalten und zeigt einmal mehr wie zufrieden er mit der Arbeit von Frau Nguyen und Herrn Pham ist.

Trotzdem wurden sämtliche Anträge auf Aufenthalt in der Ausländerbehörde abgelehnt. Immer wieder verweist die Ausländerbehörde auf die Härtefallkommission, der Vorsitzende Gert Mackenroth (CDU) betreibt das gleiche Spiel. Keine Seite zeigt ernsthaften Willen der Familie eine Chance zu geben. Es bleibt ein unwürdiger Spießroutenlauf seitens der Behörden ohne Blick auf die Lage der Familie.

Wie geht es Familie Pham?

Wir können nicht verstehen, dass - trotz jahrelangem Aufenthalt und der erbrachten Integrationsleistungen - die Familie Pham/Nguyen weiter in Unsicherheit leben muss. Die ständige Angst vor der Abschiebung bleibt präsent, was alle extrem belastet. Natürlich versuchen die Eltern, dass der Druck der Behörden nicht auf ihre Tochter übertragen wird.

Beide versuchen neben der Arbeit Emilia auf die Schule vorzubereiten. Sie planen eine Zukunft, die immer ungewisser ist. Herr Pham hat außerdem wieder verstärkt Schmerzen durch seine Kriegsverletzung. An manchen Tagen fällt ihm das Laufen schwer, doch er kämpft weiter. Seine Angst, dass er den Job und damit die Chance auf eine Perspektive verliert, ist einfach zu groß.

Ein Sprecher der Chemnitzer Ausländerbehörde verwies auf fehlenden Integrationswillen: sprachlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Wie beurteilen Sie die Vorwürfe?

Die Familie lernt weiter Deutsch, hat bereits Sprachtests bestanden, arbeitet unbefristet in einem Mangelberuf, die Tochter soll eingeschult werden und Herr Pham überlegt sogar, einen Zweitjob anzunehmen. Bei der Demonstration vor der Ausländerbehörde waren extrem viele Chemnitzer*innen, die den Rückhalt der Zivilgesellschaft für die Familie bewiesen.

Darunter auch Familie Sagerer, mit der Herr Pham seit 1987 in Kontakt ist. Wie sich hieraus ein fehlender Integrationswille ableiten lässt, ist nicht nachvollziehbar und ein fatales Signal. Die Behörde schreckt damit auch andere Menschen ab, die hier ankommen wollen, sich eine Perspektive aufbauen und dann dennoch mit Abschiebung bedroht werden.

Warum urteilt die Ausländerbehörde gegenüber einem seit über 30 Jahren in Deutschland lebenden Menschen so hart?

Herr Pham entspricht eben nicht dem „Max Mustermann der Integration“, den sich Behörden gern herbeifantasieren. Er hat trotz seiner Kontakte zu Chemnitzer*innen eben auch in der vietnamesischen Community gelebt und sich mehrfach in Vietnam aufgehalten. Er hat eben keine perfekten Sprachkenntnisse, weil es aber auch keine wirklichen Deutschkurse in der DDR gab und Integration von Gastarbeiter*innen nie angedacht war.

Diese Umstände betrachten die Behörden keineswegs. Interessant ist auch: seine unbefristete Niedererlassungserlaubnis wurde ihm erst entzogen, als er die deutsche Staatsbürgerschaft für seine Tochter beantragen wollte. Erst dann wurde explizit nach Fehlern gesucht, die ihm vorgehalten werden können.

Wie wollen Sie Familie Pham vor der Abschiebung bewahren?

Wir halten den öffentlichen Druck hoch. Solange in der Gesellschaft ein Gespür für die vorliegende Ungerechtigkeit vorhanden ist, gehen wir davon aus, dass die Ausländerbehörde keine Abschiebung vollzieht. Außerdem sind wir mit der Anwältin der Familie im stetigen Austausch und sehen noch einige kleine Chancen, um auf rechtlichem Wege Familie Pham/Nguyen endlich die Perspektive in Deutschland zu ermöglichen, die sie sich verdient hat.

node:vw-infobox

0 Kommentare
Noch keine Kommentare