Inland

Unser Land

von Rolf Fischer · 9. Dezember 2008
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Sowohl im alltäglichen Leben, im Umgang mit Behörden und auch im politischen Feld stoßen die deutschen Sinti und Roma immer wieder auf große Vorbehalte. Es waren Sozialdemokraten, die in Schleswig-Holstein Schritt für Schritt die Anerkennung als Minderheit neben den Dänen, Sorben und Friesen durchgesetzt und damit auch auf der Bundesebene für Gleichstellung gesorgt haben. Etwa 5000 Menschen dieser Gruppe leben heute im nördlichsten Bundesland, etwa 70 000 in der Bundesrepublik.

Überregionale Aufmerksamkeit hat ein Selbsthilfewohnprojekt namens "Maro Temm" - der Begriff bedeutet "unser Land" - in Kiel gefunden. Ziel war es, eine Genossenschaft als Trägerin für kleinteilige, am Bedarf der Sinti ausgerichtete Wohnungen zu gründen. Die Prinzipien wie Solidarität, Demokratie und Identität im Sinne von Selbstverwaltung und Verantwortung wurden genutzt, um eine Alternative zu der üblichen, meist schwierigen Wohnsituation zu bieten. Dieses Projekt startete durchaus mit Problemen und war immer wieder von Rückschlägen bedroht; doch konnte sich die Minderheit durchsetzen. Das Vorhaben, im Kieler Stadtteil Gaarden eine Wohnalternative aufzubauen, in der sich die Nachbarschaft im Alltag und bei der Wahrung ihrer Kultur unterstützt, ist gelungen.

Nachbarschaft, Integration und soziale Stabilität

Die Grundsteinlegung fand im Mai 2007 statt und heute stehen 13 Reihenhäuser auf einem etwa 10 000 Quadratmeter großen Grundstück. Das Projekt wurde mit Förderdarlehen aus dem sozialen Wohnungsraumförderungsprogramm, durch Eigenleistung und durch Spenden finanziert. Das Modell setzt auf Nachbarschaft, Integration, Stärkung der Gemeinschaft und soziale Stabilität. Die deutschen Sinti und Roma beteiligten sich aktiv am Projekt und formulierten Ziele vor allem für die Kinder.

Wir stehen nun am Beginn einer zweiten Phase, die zu einer stärkeren Integration in den Stadtteil führen soll. Schon jetzt aber zeigt sich, dass die Angst vor einer Gettoisierung nicht berechtigt ist. Hilfreich ist, dass es ein erfolgreiches und offiziell ausgezeichnetes Schulprojekt des Landesverbandes der deutschen Sinti und Roma in direkter Nähe gibt. Dort arbeiten Mediatorinnen, die aus der Minderheit stammen und deren Kinder im Unterricht begleiten sowie Hausaufgabenhilfe und Familienarbeit anbieten.

Die SPD in Schleswig-Holstein setzt sich seit geraumer Zeit für die Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung ein. Dort sind Friesen und Dänen aufgeführt, die deutschen Sinti und Roma aber nicht. Von konservativer Seite wurde die Ablehnung mit "Landesfremde" und der Verstreutheit über das Bundesgebiet begründet. Wenn man weiß, dass seit 1417 die Sinti und Roma in Schleswig-Holstein urkundliche Erwähnung finden, dann erscheint dieses Argument doch sehr gesucht. Günter Grass und seine Frau Ute unterstützen seit 1997 mit ihrer Stiftung für das Romavolk den Landesverband.

Rolf Fischer ist Mitglied des schleswig-holsteinischen Landtags und minderheitenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

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