Inland

Ukraine: SPD-Chef Klingbeil zwingt CDU-Chef Merz zur 180-Grad-Wende

Eigentlich wollte CDU-Chef Friedrich Merz die Ukraine-Debatte im Bundestag nutzen für Kritik an der Regierung von Kanzler Olaf Scholz. Doch nach der Rede von SPD-Chef Lars Klingbeil muss Merz seine eigene Position zu Russland korrigieren.
von Lars Haferkamp · 27. Januar 2022
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Das werden sich die CDU und CSU, das wird sich Friedrich Merz anders vorgestellt haben. In seiner ersten Parlamentsrede nach seiner Wahl am Wochenende will der neue CDU-Chef am Donnerstag in der Bundestagsdebatte zur Ukraine-Politik die Ampel-Koalition kritisieren und die Position der Union klarmachen. Stattdessen eilt er nach der Rede von SPD-Co-Chef Lars Klingbeil für eine Kurzintervention zum Saalmikrofon, um seine Haltung zu möglichen Sanktionen gegen Russland in einem entscheidenden Punkt komplett zu korrigieren.

Was ist passiert? Nachdem Friedrich Merz gesprochen hat, ist Lars Klingbeil an der Reihe. Der SPD-Chef spricht zunächst gar nicht über die Union. Zuerst spricht er Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock „für das Engagement und die Intensität des Engagements“ in der Ukraine-Krise seinen „großen Dank“ aus. Doch dann kommt er schnell zu Friedrich Merz. Nach einem kurzen Glückwunsch zu dessen Wahl als CDU-Chef, spricht Klingbeil eine „Bitte“ aus: „Außenpolitik dient nicht der Selbstfindung einer neuen Oppositionspartei.“ Deutschland sei immer von einem breiten Konsens in der Außen- und Sicherheitspolitik über die Regierungsparteien hinaus geprägt gewesen. „Ich wünsche mir, dass wir das beibehalten“, so der SPD-Co-Chef.

Klingbeil an Merz: Sie wackeln gegenüber Moskau

Nachdem Merz der Bundesregierung zuvor in seiner Rede zu wenig Entschlossenheit und Führung in der Ukraine-Krise vorgeworfen hat, wendet sich Klingbeil direkt an den CDU-Vorsitzenden: „Herr Merz, ich weiß gar nicht, was unverständlich ist an der Aussage des Bundeskanzlers, alle Optionen liegen auf dem Tisch?“ Es seien nicht die Vorsitzenden von SPD, Grünen oder FDP gewesen, „die als erstes gerufen haben, Swift nehmen wir raus“ aus dem Katalog möglicher Russlandsanktionen. „Das waren Sie! Sie haben der russischen Seite gezeigt, dass wir dort wackeln an dieser Stelle!“, ruft Klingbeil und fordert: „Der Satz, alle Optionen liegen auf dem Tisch, der muss von allen hier unterschrieben werden!“

Mit seiner Kritik bezieht sich der SPD-Chef auf ein Interview von Merz vom 16. Januar. Darin warnte dieser: Das internationale Banken- und Finanzkommunikationsnetzwerk Swift „infrage zu stellen, das könnte die Atombombe für die Kapitalmärkte und auch für die Waren- und Dienstleistungsbeziehungen sein“. Ein Ausschluss Russlands aus Swift „würde im Grunde genommen diesem internationalen Zahlungsverkehr das Rückgrat brechen“. Merz weiter: „Ich würde massive ökonomische Rückschläge auch für unsere Volkswirtschaften sehen, wenn so etwas geschieht.“ Deshalb seine Forderung: „Wir sollten Swift unangetastet lassen.“

Merz vollzieht 180-Grad-Wende

Davon will Friedrich Merz nach der Kritik des SPD-Co-Chefs aber nun im Bundestag nichts mehr wissen. Nach der Klingbeil-Rede meldet er sich zu einer Kurzintervention. „Damit keine Irritationen entstehen“, sagt Merz, er habe Swift „in der Tat angesprochen“. Er habe lediglich „auf die Sprengkraft hingewiesen“, die ein Ausschluss Russlands hätte. „Aber es liegt auch für mich ausdrücklich mit auf dem Tisch“ möglicher Sanktionen gegen Moskau. „Es ist nicht vom Tisch, es bleibt auf dem Tisch.“ Seine Forderung, „wir sollten Swift unangetastet lassen“, kehrt der CDU-Vorsitzende damit in ihr Gegenteil um und vollzieht so eine 180-Grad-Wende. Damit bestätigt er unfreiwillig, wie berechtigt die Mahnung Klingbeils zuvor an ihn war, die Außenpolitik nicht zur „Selbstfindung einer neuen Oppositionspartei“ zu benutzen.

Für den SPD-Co-Vorsitzenden, daran lässt er keinen Zweifel, zählen in der Außenpolitik Taten und nicht Worte. Angela Merkel habe in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft in der Außenpolitik immer wieder „Lösungen gefunden“, aber „nicht auf Überschriften gesetzt“, betont Klingbeil. „Und das ist auch das, was ich jetzt von einer Bundesregierung erwarte.“ Als Negativbeispiele für Politiker, die markige Überschriften statt gute Lösungen erreicht hätten, nennt er den britischen Premierminister Boris Johnson, den ungarischen Regierungschef Victor Orban und den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Es sei gut und richtig, dass die Bundesregierung „mit Bedacht und lösungsorientiert“ Auswege aus der schwierigen Lage an der ukrainischen Grenze suche. „Dafür noch einmal ein großer Dank an Olaf Scholz!“

Keine Waffenlieferungen – Umfrage unterstützt SPD

Jetzt gehe es weiter darum, eine militärische Eskalation zu verhindern und eine politische Lösung zu finden. Man brauche „doch nicht jeden Tag“ neue Drohgebärden und Eskalationen. Die Bundesregierung mache zurecht deutlich, „dass es gerade darum geht, Frieden zu organisieren“ und jedes Gespräch dafür zu nutzen. Und dann stellt der SPD-Chef klar: „Waffen zu liefern, bedeutet nicht, Friedensbemühungen zu stärken. Und deswegen ganz klar: Wir liefern keine Waffen in der Ukraine.“ 59 Prozent der Deutschen unterstützen nach einer aktuellen Umfrage diese Linie der SPD und der Bundesregierung. Nur 20 Prozent befürworten danach Waffenlieferungen aus Deutschland.

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