Inland

Thüringer Landtagsabgeordneter: Warum die SPD jetzt „in der Klemme" steckt

Wie geht es mit der Sozialdemokratie in Deutschland weiter? Der Thüringer Landtagsabgeordnete Matthias Hey erklärt im Interview die schwierige Aufgabe, vor der die SPD in der schwarz-roten Koalition steht.

von Finn Lyko · 30. Mai 2025
Der Thüringer Landtagsabgeordnete Matthias Hey.

Ein neues Grundsatzprogramm für die SPD? Nein, meint der Thüringer Landtagsabgeordnete Matthias Hey - viel wichtiger sei, dass die Partei trotz der schwarz-roten Koalition ihren Grundwerten treu bleibe.

Ende Mai stand alles im Zeichen des 150. Jubiläums des Gothaer Programms. Braucht die SPD heute ein neues Grundsatzprogramm?

Nein. Ich glaube, dass das, wofür die SPD einsteht und kämpft schon schwer in Ordnung ist. Von den schlechten Wahlergebnissen sollte man sich da nicht kirre machen lassen. Es wird sich nicht ändern, dass wir auf der Seite derer sind, die in dieser Gesellschaft die Werte schaffen, und dass wir dafür einstehen, dass alle vom großen Kuchen auch gehörige Stücke abhaben sollen. Deswegen bin ich ja auch noch Sozialdemokrat.

Trotzdem zeigen die schlechten Wahlergebnisse ja, dass das bei den Menschen nicht so recht anzukommen scheint. In Ihrer Rede zum Gothaer Jubiläum meinten Sie unter anderem, dass „die Menschen aktuell mehr Angst vor Wärmepumpen und vor dem Gendern als vor Rechtsextremen haben“. Woran liegt das?

Weil die gesamtgesellschaftliche Debatte seit etlichen Jahren schon sehr aufgeheizt ist. Die Befindlichkeiten und Themen, die hochgepusht werden, sind oftmals eben nicht die wirklichen Problemlagen unserer Gesellschaft. Auch nicht die Frage, ob man mit einer Wärmepumpe oder mit einer Erdgasheizung unterwegs ist, zum Beispiel. Gerade auf konservativer Seite wird das oft aber sehr geschickt so dargestellt. Da trägt auch die CDU Verantwortung, die manche Themen so aufgegriffen und aufgeblasen hat, als würden sie tatsächlich die Grundwerte unserer Gesellschaft abbilden – tun sie aber nicht.

Wo sehen Sie diese Grundwerte?

Eine Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht, also beispielsweise mit Minderheiten, mit Menschen, die chronisch krank sind, mit Menschen, die weniger Geld zum Leben haben, die alleinerziehend sind, die behindert sind. Eben Menschen, die in irgendeiner Form nicht zu den – wie Friedrich Merz immer gerne sagt – großen Leistungsträgern unserer Gesellschaft zählen. Das tun sie im Übrigen trotzdem, aber das ist wieder eine ganz andere Frage. Aber gerade, was die Solidarität innerhalb unserer Gesellschaft angeht, haben wir in den letzten Jahren ziemlich viele Defizite aufgebaut. Ich sehe da eine ungute Entwicklung.

Denken Sie, dass sich die Bundes-SPD über diesen Zustand bewusst ist?

Ja, und ich glaube, jeder, der sich ein bisschen damit befasst und beschäftigt, weiß, in was für einer Klemme die Partei steckt. Im Grunde ist diese neue Regierung dazu verdammt, relativ geräuschlos und gut zu funktionieren. Bei einem teils erzkonservativen Programm, das CDU und CSU da abwickeln wollen, gleichzeitig selber als Partei ein Profil zu gewinnen und eigene Dinge durchzusetzen, wird sehr, sehr schwierig werden.

Einerseits muss die ewige Streiterei, die wir aus der Ampel kennen, zumindest nach außen hin abgestellt werden, damit die Leute den Eindruck haben, die gehen vielleicht nicht im Gleichschritt, aber doch zumindest in einem bestimmten gemeinsamen Tempo voran. Trotzdem wollen wir in dieser Koalition erkennbar sein als diejenigen, die sich auch für die Schwachen dieser Gesellschaft einsetzen.

Sehen Sie einen Weg raus aus diesem Dilemma?

Nein, das ist ein bisschen wie die Quadratur des Kreises. Im Grunde hätte man allein unter den Punkten, die die Union ständig im Wahlkampf propagiert hat, nie mit denen eine Koalition eingehen dürfen. Aber zum Schluss blieb auch nichts anderes übrig, weil klar war, dass alles andere nur ins Chaos führt. Das jetzt hinzubekommen, ist eine unglaublich schwierige und komplexe Aufgabe.

Worauf sollte die SPD für die Bewältigung dieser Aufgabe jetzt setzen?

Wir tun gut daran, nach wie vor klarzumachen, dass eben nicht alles, was unser Koalitionspartner vorgibt, mit uns machbar ist. Auch wenn wir das vielleicht nicht immer so öffentlich und in ständigen Statements in den Sozialen Medien artikulieren sollten. Dafür braucht es aber ein klares Profil. Unsere Wählerschaft wird sich sonst fragen: „Warum habe ich da überhaupt ein Kreuz gemacht?“

Auch in Ihrem Bundesland Thüringen machten bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr historisch wenige Menschen ihr Kreuz bei der SPD. Wünschen Sie sich manchmal mehr Unterstützung von der Bundespartei?

Insbesondere in den Landesverbänden Sachsen und Thüringen, wo die SPD ja fast in der Diaspora ist, bräuchten wir hier im Osten hin und wieder Unterstützung von der Bundesebene durch ein bisschen mehr Präsenz. Als wir in Gotha zum Beispiel den 150. Jahrestag des Gothaer Parteitags gefeiert haben, sind die Genossen hier richtig aufgeblüht, weil Lars Klingbeil und Saskia Esken persönlich vor Ort waren. Wie viel das Wert ist, kann man in Berlin, gar nicht hoch genug einschätzen. So etwas wirkt durch die Berichterstattung sogar nach außen: Wir hatten das Fernsehen hier, die Zeitung hat darüber berichtet. Davon braucht es mehr.

Vor allem nächstes Jahr: Eine der wichtigsten Wahlen wird die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im September 2026 sein. Man sollte die Kampagne darauf ausrichten, dass die großen Busse aus Berlin dann auch mal nach Halle, Magdeburg, Merseburg oder andere, kleinere Orte kommen. Das wird unbedingt notwendig sein. Diese Landtagswahl wird auch für den Bund eine sehr, sehr entscheidende werden – denn auch dort ist man abhängig von den Stimmen aus Ostdeutschland.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 30.05.2025 - 20:06

Permalink

Ich erwarte von SPD-Politikern endlich mal eine deutliche Stellungnahme und Taten gegen das Geschwurbel von Merz, Linnemann und Co. gege "faule" Rentner, Arbeitslose und Arbeitnehmer.
Anscheinend kümmern sich diese Leute aber lieber um Wärmepumpen und Gnderer:::*:::Innen als um die realen Klassengegensätze.

Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.