Stiegler: „Es fehlt nicht an Arbeitsbereitschaft; es fehlen Arbeitsplätze.“
"Auf solche Ratschläge können wir gut und gern verzichten", erklärte Stiegler in Berlin. Seine Kritik richtete sich gegen das vom Sachverständigenrat vorgelegte Gutachten zur "Förderung des
Niedriglohnsektors", das am vergangenen Freitag Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) vorgelegt wurde.
Union für Kürzung von Alg II um 30 Prozent
Darin schlagen die "Wirtschaftsweisen" vor, das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent zu senken, da die derzeitige Höhe und Ausgestaltung der Grundsicherung zu "wenig Arbeitsanreize" für
Empfänger von Arbeitslosengeld II biete. Zugleich forderte der Rat, die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose drastisch zu erhöhen.
SPD: Es geht um Existenzsicherung
Während die Vorschläge in der Union viele Befürworter finden, reagieren SPD-Politiker mit konsequenter Ablehnung. "Eine Kürzung der Grundsicherung kommt nicht in Betracht", sagte Stiegler und
riet dem Sachverständigenrat, seine theoretischen Betrachtungen anhand der sozialen Wirklichkeit in Deutschland zu überprüfen. Es fehle nicht an Arbeitsbereitschaft, sondern an Arbeitsplätzen. Die
Kombilohnbetrachtungen des Rates würden verkennen, "dass es um Existenzsicherung geht, nicht um die Förderung der ohnehin vorhandenen Arbeitsbereitschaft."
"Einfache" Arbeiten wertschätzen
Die Einschätzung des Rates, dass 20 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland für Niedriglöhne arbeiten müssten, stellte Stiegler in Frage. Vielmehr müsse die Gesellschaft
lernen, auch "einfache" Arbeiten wertzuschätzen und ihrem Stellenwert entsprechend zu bezahlen. "Warum eigentlich müssen diejenigen, die zum Beispiel auf Autobahnen und Bahnhöfen für saubere
Toiletten sorgen, mit Minilöhnen abgespeist werden, obwohl jeder solche Dienstleistungen erwartet." Stiegler forderte einen Mindestlohn bei öffentlichen Dienstleistungen, "sei es tariflich sei es
gesetzlich".
Bofinger distanziert sich
Ein Mitglied im Sachverständigenrat, der Ökonom Peter Bofinger, distanzierte sich bereits in der vergangenen Woche von dem Sondergutachten und lehnte eine Kürzung der Hartz-IV-Bezüge um 30
Prozent ab. Den Vorschlag, arbeitsfähige Alg-II-Empfänger im öffentlichen Sektor zu beschäftigen, wenn sie auf dem Markt keine Stelle finden, hält Bofinger für wenig sinnvoll. "Ich sehe nicht, wie
man diese Arbeitsplätze schaffen kann, ohne reguläre Jobs zu verdrängen", erklärte er der Financial Times Deutschland am Montag.
Bofinger will seinen Vorschlag am 15. September vorlegen.
Quellen: spdfraktion.de; Financial Times Deutschland
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.