Inland

SPD gewinnt mit schlechtestem Ergebnis seit 1946

Die SPD hat die Bremer Bürgerschaftswahl gewonnen – und das, obwohl sie knapp zehn Prozentpunkte eingebüßt hat. Obwohl auch die Grünen deutlich verloren, kann der rot-grüne Senat mit hauchdünner Mehrheit wohl weiter regieren. Schockierend ist die Wahlbeteiligung. Sie lag nur bei 51 Prozent.
von Ulf Buschmann · 10. Mai 2015
Engagiert im Gespräch: Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, auf dem vorwärts-Sommerfest.
Engagiert im Gespräch: Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, auf dem vorwärts-Sommerfest.

Dass die SPD nicht das Ergebnis von vor vier Jahren erreichen würde, war vielen klar. Doch dass die Partei so massiv einbricht, war für die Mitglieder eine echte Enttäuschung. Laut der ersten amtlichen Hochrechnung kommt die SPD auf 32,9 Prozent – knapp sechs Prozentpunkte weniger als 2011. Die Grünen erreichen nur noch 15,3 Prozent (minus 7,2). Die CDU liegt demnach bei 22,6 (plus 2,2), die Linke bei 9,2 (plus 3,6), die FDP bei 6,5 (plus 4,1)und die Alternative für Deutschland (AfD) bei 5,7 Prozent.

Nach feiern war den Bremer Genossen angesichts dieses Abschneidens denn auch wenig zumute. Und doch: Als ihr Spitzenkandidat Jens Böhrnsen und der Bremer SPD-Landesvorsitzende Dieter Reinken die „Ständige Vertretung“ an der Böttcherstraße betraten, klatschten die Anwesenden wie aus Trotz. „Wir haben verloren, aber jetzt erst recht“, war Botschaft und Marschrichtung zugleich. Böhrnsen forderte seine Unterstützer und sich selbst gleichermaßen auf zu analysieren, warum die Partei so in der Wählergunst abgerutscht ist.

Historisch niedrige Wahlbeteiligung

Wie auch immer das Ergebnis am Ende ausfällt, eines ist schon jetzt klar. Nach der Wahl von 1995 haben die Bremer Sozialdemokraten mit knapp 33 Prozent ihren schlechtesten Wert eingefahren. Und das bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von rund 51 Prozent. Dies sind noch einmal drei Prozentpunkte weniger als 2011. Schon damals waren Politiker aller Parteien darüber schockiert gewesen.

Das war der Bremer Bürgermeister am Sonntagabend ebenso. Das Wahlergebnis war ihm ins Gesicht gemeißelt, sein Lächeln wirkte gequält. „Wir hatten schon schönere Wahlabende“, sagte er. Und dass „es gut tut“, mit solch einem Applaus wie in der „Ständigen Vertretung“ empfangen zu werden.

Im nächsten Schritt machte der Bürgermeister Mut: „Man darf auch sagen, die SPD ist die mit Abstand stärkste politische Kraft in Bremen.“ Und: „Wir haben das Fundament in dieser Stadt.“ Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprang Böhrnsen aus Berlin bei: An der SPD führe am Ende kein Weg vorbei. An der Weser und an der Spree betonten alle, mit den Grünen weiter regieren zu wollen.

Hauchdünne Mehrheit für Rot-Grün

Doch eben leicht wird es nicht, ist doch bislang noch nicht ganz klar, über welche Mehrheit Rot-Grün in der kommenden Wahlperiode verfügen wird. Im schlimmsten Fall wird es hauchdünn mit einem oder zwei Sitzen, bestenfalls kommen die beiden Parteien auf eine sechs- bis achtsitzige Mehrheit (Je nachdem, ob die AfD den Einzug ins Landesparlament schafft). Das besagen jedenfalls die Zahlenspiele, die die Wahlforscher kurz nach Schließung der Wahllokale angestellt haben.

Schwer haben wird es der künftige Senat unter Böhrnsens Führung indes nicht nur deshalb, weil die SPD verloren hat. Auch die Grünen sind mächtig gerupft worden: von mehr als 20 Prozent im Jahr 2011 auf jetzt noch knapp 15 Prozent. Funktionsträgern und einfachen Mitgliedern war gleichermaßen klar, dass das 20-Plus-Ergebnis den Fukushima-Bonus enthält, doch mit einem so massiven Absturz rechnete keiner. Damit fällt der Juniorpartner der SPD wieder auf Platz drei in der Hitliste der politischen Kräfte zurück. Platz zwei hat sich die CDU zurückgeholt. Vor vier Jahren war sie auf unter 20 Prozent abgestürzt.

Die Unterweser-Farbenlehre wird durch die Linke, die FDP und die Alternative für Deutschland (AfD) vervollständigt. Die FDP ist nach vier Jahren Pause wieder in der Bürgerschaft, die AfD ist voraussichtlich erstmals dabei. Sollte es also für Rot-Grün wider Erwarten nicht reichen, kämen theoretisch auch Rot-Rot-Grün oder eine Ampelkoalition in Frage.

Was, wenn es für Rot-Grün nicht reicht?

Wer indes die SPD-Mitglieder nach möglichen anderen Konstellationen fragt, erntet ungläubige Blicke. Denn ein Bündnis mit der Linken schließen Böhrnsen und die Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert kategorisch aus. Und kommt das Thema auf die FDP, müssen einige Mitglieder an die Ampelkoalition von 1991 bis 1995 denken: Sie war an der sogenannten Piepmatz-Affäre gescheitert: Das FDP-geführte Wirtschaftsressort hatte Flächen als Gewerbegebiet ausgewiesen, die längst als Fauna-Flora-Habitat an die Europäische Union gemeldet worden waren.

Gänzlich ablehnend reagieren aber die SPD-Mitglieder auf ein mögliches Bündnis mit der CDU. Die Bremer Schatzmeisterin Petra Krümpfert bringt es auf den Punkt: „Rot-Schwarz mache ich nicht mit.“

aktualisiert am 11. Mai um 10 Uhr

Autor*in
Ulf Buschmann
Ulf Buschmann

arbeitet als freier Journalist in Bremen.
 

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