SPD-Gesundheitspolitikerin: „Corona macht auch zu Weihnachten keine Pause“
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Seit dem 16. Dezember gilt der harte Lockdown in Deutschland. Ist das gerade noch rechtzeitig?
Aus medizinischer Sicht war der harte Lockdown längst überfällig, denn wir haben es mit einem sehr dynamischen Infektionsgeschehen zu tun mit stark ansteigenden Infektionsraten, Betroffen sind insbesondere die Hochrisikogruppen, das Virus grassiert aber auch darüber hinaus. Der Lockdown und das Herunterfahren des gesamten öffentlichen Lebens ist derzeit unsere einzige Möglichkeit und Chance, um Corona in den Griff zu kriegen. Klar ist aber auch, dass es eine Weile dauern wird, bis wir eine Entlastung der Intensivstationen spüren.
Halten Sie die Sonderregeln an Weihnachten trotzdem für sinnvoll?
Da Weihnachten für die meisten eine besondere Bedeutung hat, sind die Lockerungen zu den Feiertagen rein menschlich betrachtet natürlich nachvollziehbar. Aus medizinischer Sicht sind sie allerdings kontraproduktiv. Es geht darum Kontakte einzuschränken, jetzt, über die Feiertage und darüber hinaus. Corona macht auch zu Weihnachten keine Pause. Ich hoffe darauf, dass die Bevölkerung verantwortungsvoll mit den Lockerungen umgeht, damit wir zwei Wochen nach Weihnachten nicht ein böses Erwachen haben. Jeder, der kann, sollte die Möglichkeit der Vorquarantäne nutzen, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten.
Wann rechnen Sie damit, dass sich die Maßnahmen mit Blick auf die Corona-Zahlen bemerkbar machen?
In der Regel dauert es drei bis vier Wochen, bis sich eine längerfristige Veränderung der Neuinfektionen statistisch belastbar darstellt. Durch die derzeit hohen Inzidenzen und den Lockerungen zu Weihnachten wird es nachgelagert aber sicherlich nochmal einen Anstieg der Infektionen geben.
Bis wann erwarten Sie die Zulassung des ersten Impfstoffes?
Die Zulassung erfolgt noch vor Weihnachten, sodass wir direkt nach den Feiertagen mit dem Impfen beginen können. Das ist eine großartige Neuigkeit, die uns Hoffnung und eine Perspektive für das nächste Jahr gibt.
Inwieweit könnte das zu einer Lockerung der Maßnahmen führen?
Die Impfung bietet nach den bisherigen Erkenntnissen den Schutz des Geimpften vor der Erkrankung COVID-19. Über die Infektiosität des Geimpften, also ob er weiterhin ansteckend ist, haben wir leider noch nicht genügend Informationen. Deshalb bleiben – mit oder ohne Impfung – das Einhalten der Hygieneregeln und das Beachten der Kontaktbeschränkungen auch in den nächsten Monaten wichtig.
Was sollte passieren, wenn der Inzidenzwert von 50 bundesweit bis zum 10. Januar nicht erreicht ist?
Wenn ich ehrlich bin, kann ich mir angesichts der derzeit extrem hohen Zahlen kaum vorstellen, dass wir am 10. Januar eine deutliche Entlastung haben werden. Wir wissen ja, dass sich Eindämmungsmaßnahmen erst zeitlich verzögert auswirken. Auch bleibt abzuwarten, wie die bevorstehenden Feiertage konkret verlaufen. Ich bin da skeptisch und bitte auf diesem Wege noch einmal alle Leserinnen und Leser darum, die Situation ernst zu nehmen und die Maßnahmen – von Hygiene über Abstand bis hin zu Kontaktbeschränkungen – zu beachten. Wenn wir das exponentielle Wachstum bei den Neuinfektionen nicht stoppen und umkehren, wird es auch über den 10. Januar hinaus weitere umfassende Einschränkungen geben müssen. Wir haben es selbst in der Hand, wie sich die nächsten Wochen entwickeln, denn Corona kann sich nur verbreiten, wenn wir es durch unser Verhalten zulassen.
Vielleicht etwas Hoffnung zum Jahresende: Wann können wir wieder ansatzweise mit der Rückkehr der Normalität rechnen?
Corona wird auch das Jahr 2021 ganz sicher weiter bestimmen. Ich bin zuversichtlich, dass die Impfstoffversorgung nach Zulassung des ersten Impfstoffes schnell und gut anläuft und schrittweise weitere Impfstoffe hinzukommen, so dass wir schnellstmöglich wie bei allen anderen Impfungen auch zur Regelversorgung in den Arztpraxen und Einrichtungen übergehen können. Aber heute ist klar, die Impfung schützt die Geimpften. Ob sie auch andere schützt, also ob Geimpfte nicht infektiös sind, wissen wir noch nicht. Hier wird es nach und nach weitere wissenschaftliche Erkenntnisse geben. Auch im Zusammenhang mit anderen Impfstofftypen. Ich gehe deshalb davon aus, dass uns Hygiene- und Abstandsregeln noch eine Weile lang begleiten werden. Aus meiner Sicht ist es generell sinnvoll, den Hygieneregeln auch nach der Pandemie mehr Beachtung zu schenken.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo