Die Nachricht hat eine neue Debatte über Lobbyismus entfacht: Der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla soll in den Vorstand der Deutschen Bahn wechseln. Die große Koalition diskutiert nun über Sperrfristen für ehemalige Kabinettsmitglieder, bevor sie in die Wirtschaft wechseln dürfen.
Das Vertrauen der Bürger in die Politik müsse wieder wachsen, hat die SPD im Bundestagswahlkampf gefordert. Im Wahlprogramm sprach die Partei sich deshalb für neue Regeln aus, um den Einfluss von Lobbyisten auf die Gesetzgebung transparenter zu machen. Konkret forderten die Sozialdemokraten:
- eine „legislative Fußspur“, die den Einfluss externer Berater bei der Ausarbeitung von Gesetzen kenntlich macht
- ein Lobbyregister, in das sich Interessenvertreter, die im Bundestag ein- und ausgehen, eintragen müssen
- ein Gesetz, das die Bestechung von Abgeordneten unter Strafe stellt
Auch eine Sperrfrist für ehemalige Regierungsmitglieder, die in die Wirtschaft wechseln wollen, forderte die SPD. Diese sogenannte Karenzzeit könnte nun schneller als erwartet eingeführt werden. Denn in diesen Tagen diskutiert die Öffentlichkeit wieder einmal aufgeregt über den „Drehtüreffekt“, also den schnellen Wechsel von Politikern in Lobbyisten-Jobs.
Ausgelöst wurde die Debatte durch den angekündigten Wechsel des ehemaligen Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn. Dort soll Pofalla sich um die „politischen Beziehungen“ des Unternehmens kümmern – also seine Kontakte zugunsten des Staatsunternehmens spielen lassen.
Unionspolitiker befürworten Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält das nicht für anstößig. Das Problem in Deutschland sei, dass es eher zu wenig als zu viel Austausch zwischen Politik und Wirtschaft gebe, sagte er. Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt unterstützte Pofalla: Es müsse mehr Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft geben, „und zwar in beide Richtungen“.
Die Nicht-Regierungsorganisation LobbyControl kritisiert diese Äußerungen. „Ehemalige Regierungsmitglieder wechseln nicht einfach in ‚die Wirtschaft’“, meint Geschäftsführer Ulrich Müller. „Sie übernehmen in der Regel Lobbytätigkeiten“. Solche Seitenwechsel hätten „eine eingebaute Schieflage hin zu finanzstarken Unternehmen und Verbänden, die lukrative Gehälter zahlen können“. Große Konzerne würden sich dadurch wesentlich mehr Einfluss auf die Politik erkaufen können als kleine Unternehmen oder andere Interessensgruppen.
Schnelle Regelung erwartet
Als „ziemlich verunglückt“ bewertet auch der Chef der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann den angekündigten Wechsel Pofallas. Für solche Fälle werde es „sehr schnell“ eine Regelung geben, kündigte er am Dienstag an. Die SPD spricht sich für eine Karenzzeit von 18 Monaten aus. Die CDU tendiere zu sechs Monaten, man könnte sich also auf einen Kompromiss von zwölf Monaten einigen, so Oppermann. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD und Union bisher lediglich darauf festgelegt, „eine angemessene Regelung“ für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretäre und politische Beamte anzustreben.
Auf EU-Ebene gibt es eine Karenzzeit bereits. EU-Kommissare, die innerhalb von 18 Monaten in eine neue Tätigkeit wechseln wollen, müssen sich dies von einer Ethikkommission genehmigen lassen. Diese prüft in jedem Einzelfall, ob es Interessenskonflikte zwischen dem alten und neuen Job gibt. Dieses Modell schwebt der SPD auch als Vorbild für Deutschland vor.
Eine besonders weitgehende Regelung habe Kanada getroffen, sagt Timo Lange von LobbyControl. Dort gelte eine Karenzzeit von fünf Jahren. Und diese gelte nicht nur für Regierungsmitglieder, sondern auch für einfache Abgeordnete. LobbyControl fordert eine Frist von drei Jahren für den Wechsel in die Wirtschaft.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.