Inland

SPD: Der Bund soll ausreisepflichtige Gefährder zurückführen

Die SPD will Konsequenzen aus dem Abschiebe-Chaos um den mutmaßlichen Bin-Laden-Leibwächter Sami A. ziehen. Künftig sollen nicht mehr die Bundesländer sondern der Bund zuständig sein für die Rückführung ausreisepflichtiger Gefährder. Verantwortlich wäre dann Bundesinnenminister Horst Seehofer.
von Lars Haferkamp · 18. Juli 2018
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Bund und Land, Justiz und Verwaltung, jeder gegen jeden: Nach der Abschiebung des islamistischen Gefährders Sami A. nach Tunesien wird immer deutlicher, dass die Rückführung abgelehnter gefährlicher Asylbewerber schlecht organisiert ist.

Burkhard Lischka: Seehofer soll handeln

Das will die SPD nun ändern. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Burkhard Lischka fordert, dass der Bund in diesen Fällen künftig verantwortlich sein soll und nicht wie bisher die Bundesländer. Dies ermögliche das Aufenthaltsgesetz.

„Herr Seehofer sollte auf Grundlage des Paragrafen 58 die Zuständigkeit für die etwa 100 ausreisepflichtigen Gefährder nach Rücksprache mit den Bundesländern an sich ziehen, dann hätten wir klare Verhältnisse und Verantwortlichkeiten“, erklärt Lischka gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Mecklenburg-Vorpommern hatte es zuletzt eine Abschiebung gegeben, an deren Rechtskonformität inzwischen erhebliche Zweifel bestehen.

Lars Castelluci: Keine Gesetzesänderung nötig

Nach Einschätzung von Lischka habe „der Bund sicherlich mehr Gewicht als einzelne Bundesländer, wenn es um zügige Absprachen mit den betroffenen Herkunftsländern geht, in die Gefährder abgeschoben werden sollen.“

Lars Castellucci, Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, sieht das genau so. „Wenn dem Bundesinnenminister die Abschiebung der islamistischen Gefährder so sehr am Herzen liegt, kann er das gerne in die Hand nehmen. Dafür brauchen wir nicht mal eine Gesetzesänderung, weil der Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes eine ausreichende Grundlage bietet“, so Castelluci gegenüber der „Welt“.

Union dafür, Grüne skeptisch

Das Aufenthaltsgesetz räumt dem Bundesinnenministerium ausdrücklich die Möglichkeit ein „die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht“. Dem Gesetz nach bestehe dieses besondere Interesse etwa bei Gefährdern, also bei Personen denen die Behörden „aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose“ jederzeit einen Terroranschlag zutrauen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigt sich grundsätzlich offen gezeigt für mehr Zuständigkeiten seines Hauses bei Rückführungen. Er freue sich über den Vorschlag, sagte Seehofer am Mittwoch in Berlin. Aus der Union kommt ebenfalls Unterstützung, die Grünen zeigen sich dagegen skeptisch.

SPD setzt Sondersitzung des NRW-Rechtsausschusses durch

In Nordrhein-Westfalen hat die SPD-Landtagsfraktion eine Sondersitzung des Rechtsausschusses zum Fall Sami A. durchgesetzt. Die Abgeordneten unterbrechen dafür am Freitag extra ihre Parlamentsferien. Sarah Philipp, die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, begründet die Sondersitzung mit einem schweren Verdacht gegen die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf: Dabei gehe es um einen klaren Rechtsbruch durch die Landesregierung bei der Abschiebung von Sami A. in sein Heimatland Tunesien. Besonders in der Kritik steht der zuständige NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP). Im Raum stehe auch der Verdacht, so Sarah Philipp, dass die Rückführung nur durch die vorsätzliche Täuschung eines Gerichtes durch Bundes- und Landesbehörden möglich gewesen sei, so Philipp. Darüber will der Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtages am Freitag Klarheit schaffen.

Die Stadt Bochum will verhindern, dass der abgeschobene Sami A. nach Deutschland zurückgeholt wird. Die Stadt hat am Mittwoch beim Oberverwaltungsgericht Münster Beschwerde gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen eingelegt, nach der Abschiebung rückgängig gemacht werden muss. Das teilte das Oberverwaltungsgericht in Münster mit. 

Bundeskabinett erweitert sichere Herkunftsstaaten

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt. Dadurch sollen künftig Asylverfahren von Menschen aus diesen Ländern zu beschleunigt werden. Außerdem können Zuwanderer aus sicheren Herkunftsstaaten leichter abgeschoben werden.

Neben allen Staaten der Europäischen Union gelten bereits Ghana, Senegal, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und das Kosovo als sichere Herkunftsländer. 2017 war der Versuch der Bundesregierung, die drei Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, am Widerstand der Grünen im Bundesrat gescheitert.

Autor*in
Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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