Inland

Sparpaket mit falscher Richtung

von Ursula Engelen-Kefer · 17. Juni 2010
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Nach der Auswertung der Sozioökonomischen Datensätze zur langfristigen Einkommensentwicklung hat sich der Anteil der Haushalte im unteren und oberen Einkommensbereich erhöht. Entsprechend ist die so genannte Mittelschicht auf 61,5 Prozent geschrumpft. Die Polarisierung ist beim Niveau der jeweiligen mittleren Einkommen (für Singles) zu erkennen: Das Mittel der Niedrigeinkommen hat sich von 680 Euro im Jahr 2000 auf 645 Euro 2008 verringert; Im Gegensatz dazu sind die oberen Einkommen gestiegen- von etwa 2400 Euro im Jahr 2000 auf knapp 2700 Euro in 2009.

Aufschlussreich ist der Zusammenhang dieser Polarisierung bei der längerfristigen Einkommensentwicklung und der Entwicklung von Konjunktur, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit. So stellen die DIW Forscher fest: In Zeiten guter Konjunktur und Beschäftigung konnte der Trend zur Abnahme der Mittelschicht aufgehalten werden. Allerdings reichte es offensichtlich nicht dazu, diese Entwicklung umzudrehen.

Krise hat Polarisierung nicht verschärft

Ermutigend ist in jedem Fall, dass die Wirtschaftskrise seit Mitte 2008 nicht zu einer Verschärfung, sondern eher zu einer Verringerung dieser Kluft bei den Einkommen geführt hat. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es in der Bundesrepublik durch den extensiven Einsatz der Arbeitsmarktpolitik - insbesondere der Kurzarbeitergeldreglung- gelungen ist, einen größeren Anstieg der Arbeitslosigkeit und Rückgang der Beschäftigung zu verhindern.

Darüber hinaus hat die Krise auch die wohlhabenderen Bevölkerungsschichten getroffen. Die inzwischen wieder einsetzende Erholung der Wirtschaft ermöglicht es offensichtlich den Unternehmen, die Kurzarbeit zurückzuführen, ohne die befürchteten Entlassungen vorzunehmen. Dies wird einer weiteren Polarisierung bei den Einkommen entgegenwirken. Es kommt daher jetzt entscheidend darauf an, die konjunkturelle Erholung zu fördern und nicht zu gefährden.

Sparpaket hat falsche Richtung

Die Bundesregierung wäre gut beraten, das Spar- und Kürzungsprogramm auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Spaltung aufzuschnüren. Die derzeitige hauptsächliche Zielrichtung auf Kürzungen für die untersten Einkommensschichten, Arbeitslose und die Arbeitsmarktpolitik gehen in die falsche Richtung.

Die Abschaffung der Zuschläge beim Übergang von ALGI in ALGII, die Anrechnung von Elterngeld für Hartz IV Empfänger und damit dessen faktische Streichung, die Verringerung der Bemessung für die Höhe des Elterngeldes (bei Erhaltung der Höchstsätze) und die Abschaffung der Heizkostenpauschale treffen unmittelbar die Personengruppen, die jeden Euro zum Lebensunterhalt brauchen.

Verursacher und Profiteure müssen zahlen

Abgesehen von den damit verbundenen sozialen Ungerechtigkeiten wird dies die Binnenkonjunktur weiter schwächen. Die massive Einschränkung bei der Arbeitsmarktpolitik für die schwächsten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt- benachteiligte Jugendliche, Ältere, Behinderte, Alleinerziehende- wird deren Eingliederung weiter erschweren und die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigen. Dies ist nach den Ergebnissen der Einkommensstudie des DIW ein maßgeblicher Faktor für die Polarisierung der Einkommensgruppen sowie der Einkommensniveaus.

Abgesehen davon, dass es für die Politik keinerlei Rechtfertigung dafür geben kann, Arbeitslose und Familien für das Raubrittertum und Versagen der Finanzbranche bezahlen zu lassen, ist es auch aus ökonomischen Gründen falsch, weiter in die Sozialleistungen und Arbeitsmarktpolitik einzuschneiden.

Erforderlich ist vielmehr, die Verursacher und Profiteure der Finanzkrisen und die als Folge der Krise dramatisch angestiegenen öffentlichen Schuldenberge zur Verantwortung zu ziehen, und zwar durch: Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer, Einführung einer Abgabe auf hohe Vermögen, einer ausreichend hohen Bankenabgabe sowie einer international abgestimmten Finanztransaktionssteuer für den Abbau der von der Finanzbranche maßgeblich verursachten Ausweitung der staatlichen Verschuldung; Abbau ungerechtfertigter Subventionen und Steuerprivilegien und dabei zuallererst Abschaffung der als Dank für Wahlhilfe durch Hotelkonzerne von der Koalition jüngst eingeführten Ermäßigung der Umsatzsteuer.

Die DIW-Studie zur "Einkommensentwicklung in Deutschland" finden Sie unter: "Die Mittelschicht verliert" unter www.diw.de

Autor*in
Ursula Engelen-Kefer

Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.

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