Inland

Sparen reicht nicht

von Yvonne Holl · 19. September 2014

Es braucht einen gewerkschaftlichen ­Gegenentwurf zum Spardiktat der Wirtschaft, ­darin sind sich europäische Gewerkschafter einig.

Spanien hat sechs Millionen Arbeitslose, da gibt es gerade eine radikale Umformung der Beschäftigungsverhältnisse“, beschreibt Ignacio Toxo, Generalsekretär des spanischen und Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) die Situa­tion in seinem Heimatland. Die Krux dabei aus seiner Sicht: „Es wird so getan, als könne radikale Sparpolitik alle Pro­bleme lösen.“ Toxo sieht eine regelrechte Propaganda-Kampagne im Vorfeld der Europawahlen. 

"Woran ist die Wirtschaft gestorben?"
So unterschiedlich die Ausgangs­situationen in den Ländern sind, so ähnlich nehmen führende Gewerkschaftsvertreter die Probleme für Arbeitnehmer wahr. Das wurde deutlich bei einer Gesprächsrunde in Berlin, zu der der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Gewerkschaftsvertreter aus Spanien, Großbritannien, Bulgarien und Schweden eingeladen hatte. Anlass war die bevorstehende Europa-Wahl im Mai und die Frage, wie sich die Gewerkschaften strategisch aufstellen müssten, um ­Europa auf einen neuen Weg zu bringen.
Ignacio Toxo forderte seine Kollegen auf, noch aktiver zu werden, selbst Konzepte vorzulegen: „Gewerkschaftspolitik sollte nicht wie ein Gerichtsmediziner fragen: Woran ist die Wirtschaft gestorben?“, erklärte Toxo unter großem Beifall der Gewerkschafter im Saal. Vielmehr müssten „Alternativen aufgezeigt werden, auf welcher Grundlage der ­europäische Wohlfahrtsstaat neu gestaltet“ werden könne.

Für mehr Solidarität
Plamen Dimitrov, Präsident des Bundes der unabhängigen bulgarischen Gewerkschaften, stimmte seinem spanischen Kollegen zu. Er betonte, Finanzkonsolidierungen in Europa müssten immer Hand in Hand gehen mit zusätzlichen Investitionen. Solidarität sei „ein Wert, den wir wiederherstellen müssen“. Dimitrov plädierte für Mindestlöhne auf europäischer Ebene.
Etwas mehr Wagemut auf Arbeitnehmerseite wünschte sich Karl-Petter Thorwaldson aus Schweden. Er sprach von Metallarbeitern, die „heute so artig und demütig seien“ und es hinnähmen, dass die Reallöhne seit den 80er Jahren nicht gestiegen seien.
DGB-Chef Michael Sommer fasste zusammen, die europäischen Gewerkschafter bräuchten einen „gemeinsamen Gegenentwurf, der geprägt ist von sozial­staatlichen und menschlichen Traditionen“ zu neoliberalen Forderungen. n

Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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