Inland

Soziale Arbeit verdient mehr Anerkennung

von Wolfgang Stadler · 22. Januar 2014

Eine neue Studie der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zeigt, dass die Gesellschaft den wichtigen Stellenwert der Sozialen Arbeit erkannt hat. Im Wahlkampf haben die Regierungsparteien unisono bessere Bedingungen in diesem Bereich versprochen. Jetzt braucht es Taten, fordert der AWO-Vorsitzende Wolfgang Stadler.

In der repräsentativen Umfrage der Arbeiterwohlfahrt geben 78 Prozent der Befragten an, dass die Arbeit von Erziehern nicht ausreichend gewürdigt wird. Zugleich sprechen 98 Prozent der Sozialen Arbeit für das zukünftige Funktionieren der Gesellschaft eine entscheidende Rolle zu. Ein Widerspruch? Zweifellos. Doch das sind nicht nur die Ergebnisse des neuen AWO-Sozialbarometers, sondern auch das erschreckende Resultat eines jahrelangen Trends im sozialen Bereich. Dabei steht die Arbeit von Erziehern nur exemplarisch für die vielen Beschäftigten.

Mit der aufkommenden neoliberalen Steuerungslogik zu Beginn der neunziger Jahre haben sich die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringer im deutschen Sozialstaat zusehends verschlechtert. Wettbewerb um jeden Preis, lautete die Devise. Am Ende haben ihn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezahlt, die täglich wertvolle und anspruchsvolle Arbeit leisten.

Wettbewerb hat zu lange bedeutet, Personalkosten zu senken

Eine mangelnde tarifliche Absicherung der Beschäftigten, eine neue Konkurrenzsituation sowie finanziell klamme Kommunen haben aus dem Wettbewerb eine Spirale der Lohnkostensenkung geschaffen. Zu oft haben auch Kommunen durch ihre Ausschreibungspraxis den Wettbewerb befeuert. Hier wurde das in Deutschland verhaftete Subsidiaritätsprinzip zum Instrument der Kostensenkung. Denn gerade finanziell schlecht gestellte Kommunen haben soziale Dienstleistungen kostengünstig ausgeschrieben und am Ende hat das soziale Unternehmen den Auftrag erhalten, das bereit war die eigenen Kosten zu drücken. Und weil 80 Prozent der Kosten von sozialen Unternehmen Personalkosten sind, wurde hier an den Stellschrauben gedreht, um am Markt zu bestehen.

Und dabei geht es nicht darum, Abwehrkämpfe zu führen: Niemand will effektive soziale Arbeit verhindern. Allerdings sollte die Qualität der Leistungen zentral sein, und eben nicht der Preis. Doch dazu braucht es ein Umdenken in der Finanzierungspraxis. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte flächendeckende gesetzliche Mindestlohn war ein erster Schritt in Richtung einer gerechteren Arbeitsmarktpolitik. Aber es darf nicht der letzte sein.

Entgelttarifvertrag Soziales ist unumgänglich

Es liegt heute auf der Hand, dass nur ein bundesweiter, allgemein verbindlicher Entgelttarifvertrag Soziales den wettbewerbsbedingten Kostensenkungsdruck aushebeln kann. Andernfalls wird der Wettbewerb in der Realität dazu führen, dass Personalkosten gekürzt und Tarifflucht begangen wird, der Anteil an Teilzeitarbeit steigt sowie verstärkt befristete und Leiharbeitsverhältnisse eingerichtet werden. Eine moderne Regierung kann das nicht wollen und muss sich dem Ziel verschreiben, eine angemessene Vergütung in der Sozialbranche zu erreichen.

Dazu braucht es politischen Mut. Nicht zuletzt ist eine gerechte Bezahlung auch die einzige Möglichkeit, dem aufklaffenden Fachkräftemangel entgegenzutreten. So zeigt beispielhaft die AWO-Studie, dass 59 Prozent der Bevölkerung eine bessere Bezahlung von Erziehern als wesentlichen Baustein nennen, um den Beruf attraktiver zu machen. In Anbetracht der demographischen Entwicklung müssen gerade auch die sozialen Berufe für junge Menschen entsprechend ausgestaltet werden.

Eine neue Anerkennungskultur für soziale Berufe

Doch es geht am Ende nicht nur um monetäre Anerkennung, sondern auch um die gesellschaftliche Wertschätzung Sozialer Arbeit. 21 Prozent der Bevölkerung glauben laut dem AWO-Sozialbarometer, dass eine neue Anerkennungskultur den Beruf des Erziehers aufwerten würde. Klar ist: Wenn die Bundesrepublik ein soziales und fortschrittliches Land sein möchte, das sich für die Schwächsten in der Gesellschaft einsetzt, muss es die Menschen die dafür täglich arbeiten stärken. Die Bürgerinnen und Bürger haben das erkannt – die Politik hoffentlich auch.

Das AWO Sozialbarometer erscheint vierteljährlich. Die Ergebnisse finden Sie unter: www.awo-sozialbarometer.org

Autor*in
Wolfgang Stadler
Wolfgang Stadler

ist Diplom-Soziologe und arbeitet seit 1978 bei der AWO. Seit 2010 ist er Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt und Geschäftsführer der ElternService AWO GmbH.

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