Inland

Sozial, sozialer, am Sozialsten

von Susanne Dohrn · 9. Mai 2008
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Von Dietrich Jörn Weder

Der christdemokratische Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Jürgen Rüttgers, bessert die Renten der armen Witwen auf. Die CSU gibt den gebeutelten und vom vielen Fahren ohnehin strapazierten Pendlern die Kilometerpauschale zurück. Und die Partei-Linken schütteln, wo sie gehen und stehen, Steuergelder aus allen Ärmeln. Allen diesen versprochenen Gaben ist die Wirkung gemein, dass sie den für 2011 angesetzten ausgeglichenen Haushalt in eine politisch noch nebligere Ferne verschieben. Können die Regierenden das Mehr an Steuern, das sie zum Verdruss der Bevölkerung so zielstrebig eingesammelt hat, nicht einmal zwei Jahre festhalten? - Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Erwerbslose wurde bereits zum Jahresanfang verlängert, das Wohngeld wird um durchschnittlich 60 Prozent aufgestockt und auch die BAFÖG-Höchstsätze werden zum 1. Oktober angehoben. Undundund. Ein kaltherziger Mensch, wer sich da nicht mitfreuen will!

1,5 Millionen mehr Erwerbstätige

Aber kommt das alles nicht nur daher, dass die Wirtschaft, die Beschäftigung und mit diesen die daraus fließenden Einnahmen wachsen? Seit dem Amtsantritt der Großen Koalition hat die Zahl der Erwerbstätigen, grob gerechnet, um anderthalb Millionen zugenommen. Und nur dank dieses Umstandes konnte der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von ehemals 6,5 auf nunmehr 3,3 Prozent gesenkt werden. Schon allein wegen der Vielzahl der Nutznießer und der weit ausstrahlenden Wirkung in beiden Fällen kann man, ja muss man dies den größten sozialen Erfolg rot-schwarzer Regierungstätigkeit nennen, weit vor allen Aufbesserungen einzelner staatlicher Zuwendungen. Wer im politischen Geschäft hat noch den Mut, das messerscharf herauszustellen? Wer das dann noch irgendwie mit der Agenda 2010 in Zusammenhang bringt, ist schon beinahe im politisch unmodischen Abseits!



Geringverdiener sollen profitieren


Wenn dem aber gleichwohl so ist, müsste alles Regierungshandeln vorrangig darauf ausgerichtet sein, einem nachlassenden Wirtschaftswachstum entgegenzuwirken. Das geht unter den gegenwärtigen Umständen am ehesten, sagen die Sachverständigen, indem man der lahmenden Seite des Wachstums, dem schwächelnden Konsum, aufhilft. Wenn das zugleich Bedürftigen zugute kommt, umso besser! Sollte das angekündigte Abgabenkonzept der SPD darauf hinauslaufen, insbesondere Geringverdiener von Sozialabgaben zu entlasten, träfe es in diesem Sinne zweimal ins Schwarze. Schon lange fordert der Wirtschaftssachverständige Peter Bofinger ein solches Vorgehen, denn die Belastung der deutschen Arbeitnehmer mit Sozialabgaben sei die höchste in der OECD und treffe auch Geringverdiener von Anfang an mit den vollen Sätzen.

Insofern eine solche Entlastung dem Wachstum und der Beschäftigung hilft, macht es sich zumindest zum Teil selbst bezahlt, aber auch da empfiehlt sich zunächst ein vorsichtiges Herantasten an die richtige Balance. Bei all diesen fiskalischen Manövern gibt es immer die Chance des Abirrens. Von solchen Abwägungen völlig frei, empfiehlt die CSU eine Riesenausschüttung von 28 Milliarden Euro Steuergeld, die noch gar nicht in der Kasse sind. Da wird ein Kuchen aufgeschnitten, der erst noch gebacken werden muss.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen

Wie leicht sind solche Begehrlichkeiten zu wecken und wie schwer sind sie abzuwehren. Welcher arme Rentner möchte nicht seine dürftigen Einkünfte durch Jürgen Rüttgers großzügiges Versprechen aufgebessert sehen! Nur wüsste man gerne von der CDU, wie viel der arme Mann oder die arme Frau über die ihnen ohnehin zustehende staatliche Grundsicherung hinaus tatsächlich bekommen sollen und wer dafür aufkommen wird! Gilt nicht auch für alle derartigen Ausschüttungen aus der politischen Wundertüte die Frage, die sich jeder finanziell beengte Privatmensch immer wieder stellen muss: Woher nehmen und nicht stehlen?

Es werden jetzt viele Rechnungen ohne den Wirt gemacht. Und es steht viel mehr auf mancher politischen Speisekarte, als die Küche hergibt. Mit einer schwachen Konjunktur kommt man nicht zu einem ausgeglichenen Haushalt, aber mit fiskalischen Rundum-Geschenken wahrscheinlich noch weniger.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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