Inland

So will die SPD-Fraktion die „Wohnwende“ schaffen

Ein Mietenstopp, mehr Sozialwohnungen, weniger Umwandlungen in Eigentumswohnungen: Mit diesen und weiteren Maßnahmen will die SPD-Bundestagsfraktion den Mietern helfen. Sie hat sie ein Papier mit zahlreichen Forderungen beschlossen.
von Carl-Friedrich Höck · 27. September 2019
Protest gegen steigende Mieten in Berlin
Protest gegen steigende Mieten in Berlin

Der SPD-Bundestagsfraktion gehen die bisherigen Beschlüsse der Bundesregierung zur Wohnungspolitik nicht weit genug. Am Dienstag haben die sozialdemokratischen Abgeordneten ein Positionspapier beschlossen. Darin fordern sie „eine grundlegende Trendwende in der Wohnungspolitik“. Es handelt sich um einen umfangreichen Forderungskatalog, der den rasanten Anstieg der Mieten in vielen großen und mittelgroßen Städten bremsen soll.

Mietrecht schärfen

Die SPD-Fraktion fordert einen generellen Mietenstopp für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten. Die Mieten sollen dort fünf Jahre lang nur in Höhe der Inflation steigen dürfen, schlagen die Sozialdemokraten vor. Für die Zeit danach sollen die sogenannten Kappungsgrenzen gesenkt werden. Das heißt: Anstatt wie bisher um 15 Prozent sollen die Mieten innerhalb von drei Jahren nur noch um zehn Prozent erhöht werden dürfen.

Die Mietpreisbremse soll künftig bundesweit gelten und nicht nur in ausgewiesenen Gebieten. Bis dahin soll es den Ländern rechtlich einfacher gemacht werden, Mietpreisbremsen-Verordnungen zu erlassen. Außerdem fordert die SPD-Fraktion, die Rügepflicht abzuschaffen. Mieter müssten dann künftig nicht erst ihren Vermieter rügen, um zu viel gezahlte Miete zurückverlangen zu können.

Die Modernisierungsumlage wollen die Sozialdemokraten weiter senken. Derzeit dürfen jährlich acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden, bis Ende 2018 waren es sogar elf Prozent. Gefordert wird nun eine erneute Absenkung auf vier Prozent. Um Menschen mit niedrigen Einkommen vor Verdrängung zu schützen, soll die bestehende Härtefallklausel nachgebessert werden.

Sanktionen gegen Mietwucher

Staffelmieten und Indexmieten will die SPD-Fraktion verbieten. Der Betrachtungszeitraum für den Mietspiegel soll noch mehr erweitert werden als bisher geplant, nämlich auf künftig acht statt vier Jahre (die Bundesregierung hat sechs Jahre verabredet). Damit würden mehr Wohnungen in die Berechnung einfließen, in denen die Miete lange Zeit nicht erhöht wurde.

Außerdem fordert die SPD-Fraktion wirksamere Sanktionen, um Mietwucher zu unterbinden. Die Regeln für Eigenbedarfskündigungen sollen verschärft werden. Denn nach Ansicht der Fraktion missbrauchen viele Vermieter diese Möglichkeit, um Mieter mit alten Mietverträgen loszuwerden. Der Vorschlag der Sozialdemokraten: Eigenbedarfskündigungen sollen nur noch zulässig sein, wenn der Vermieter oder enge Verwandte tatsächlich für einen längeren Zeitraum in die Wohnung einziehen.

Gerät jemand mit der Zahlung der Miete zwei Monate in Verzug, rechtfertigt das nach gegenwärtiger Rechtsprechung eine ordentliche Kündigung. Durch Begleichen der rückständigen Miete soll die Kündigung in Zukunft abgewendet werden können, fordern die SPD-Abgeordneten.

Weniger Ausnahmen vom Umwandlungsverbot

Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll erschwert werden. Ausnahmen vom Umwandlungsverbot sollen nur noch „in Einzelfällen und in Absprache mit den Kommunen geltend gemacht werden können.“ Auch sollen die bestehenden Verbote auf Kommunen und Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgeweitet werden.

Die SPD-Fraktion plädiert zudem dafür, dass die Grundsteuer nur noch zur Hälfte auf die Mieter umgelegt werden darf. „Der Wert der Immobilie und die aufrufbare Miethöhe bestimmen sich in erheblichem Maße durch das von der Kommune geschaffene Wohnumfeld“, heißt es in dem Positionspapier.

Das „soziale Mietrecht“ soll ausgeweitet werden, um soziale und kulturelle Projekte sowie Kleingewerbe in den Innenstädten zu erhalten. Als Optionen nennt das Papier einen besseren Kündigungsschutz, Begrenzung der Miethöhen oder einen Gewerbemietspiegel.

Die Regeln für möblierte Wohnungen will die SPD-Fraktion klarer gestalten. Vermieter sollen den Möbelzuschlag auf die Miete gesondert ausweisen. Ziel ist es, den Aufschlag auf zwei Prozent des Zeitwertes der Möbel pro Monat zu begrenzen.

Erheblich mehr Sozialwohnungen

Jedes Jahr fallen mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neu geschaffen werden. Die SPD-Fraktion fordert eine Trendumkehr. „Bis 2030 wollen wir den Bestand an Sozialwohnungen wieder erheblich ausbauen“, steht dazu im Papier. Dafür müssten mindestens 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr geschaffen werden. (Derzeit sind es rund 27.000.) Kommunale Wohnungsunternehmen sollen zu diesem Zweck besser unterstützt werden. Um kurzfristige Engpässe abzufedern, sollen kommunale und gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften in die Lage versetzt werden, Belegungsrechte zu kaufen oder zu verlängern. Der Bau von oder Umbau zu altersgerechten, barrierefreien Wohnungen soll mehr als bisher gefördert werden.

Damit das Geld dort ankommt, wo es am dringendsten benötigt wird, will die SPD-Fraktion Bundesmittel bevorzugt an Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt vergeben. Darüber hinaus regt die SPD-Fraktion einen „Sozialpakt“ zwischen Wohnungswirtschaft, Mietern und öffentlicher Hand an. Damit soll eine „neue Gemeinnützigkeit“ begründet werden, die „an einer Renditebegrenzung von vier Prozent“ festgemacht werden soll. Der Staat könnte solche Projekte mit Zuschüssen, Grundstücken oder Steuerabschreibungen unterstützen, als Gegenleistung für langfristig mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen.

Damit Kommunen sich leichter auf das „Wohl der Allgemeinheit“ berufen können, wo dies rechtlich relevant ist, will die SPD-Fraktion die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit Wohnraum als Gemeinwohlziel im Gesetz verankern.

Oft ziehen Menschen, deren Wohnung eigentlich zu groß geworden ist – etwa nach dem Auszug der Kinder –, nicht um. Denn eine kleinere Wohnung ist aufgrund der Mietenentwicklung häufig gar nicht günstiger. Die SPD-Fraktion will deshalb Wohnungstauschangebote fördern. Um frühzeitig zu vermeiden, dass Menschen ihre Wohnung verlieren, plädiert die SPD-Fraktion für ein Modellvorhaben „Präventionsfachstellen“.

SPD will Bodenpolitik neu ausrichten

Günstige Wohnungen zu schaffen scheitert oft daran, dass den Kommunen und Wohnungsunternehmen preiswertes Bauland fehlt. Der Bund hat deshalb bereits beschlossen, dass bundeseigene Immobilien vergünstigt an Kommunen abgegeben werden können. Darüber hinaus will die SPD-Fraktion das Problem mit einer Reihe von Maßnahmen angehen:

  • Wenn der Staat Flächen für Private zur Verfügung stellt, soll im Regelfall das Erbbaurecht zum Zuge kommen. Wird das Grundstück doch veräußert, sollen am Gemeinwohl orientierte Konzepte über den Zuschlag entscheiden und nicht die Höhe des Angebotes.
  • Wenn in Innenstädten nachverdichtet wird, geschieht das oft ohne Bebauungsplan – das Baurecht leitet sich aus Artikels 34 Baugesetzbuch ab. Kommunen haben in diesen Fällen kaum Gestaltungsmöglichkeiten, um beispielsweise einen Anteil an gefördertem Wohnraum zur Auflage zu machen. Die SPD-Fraktion will daher das Baurecht anpassen und den Kommunen mehr Festsetzungsmöglichkeiten geben.
  • Viele Neubauten sind von den Kommunen genehmigt, werden dann aber gar nicht umgesetzt. Für die Gemeinden soll es leichter werden, das Baugebot durchzusetzen.
  • Die SPD-Fraktion will das Instrument der Milieuschutzsatzung nachschärfen und seine Anwendung durch Kommunen erleichtern.
  • Bei der Ermittlung von Bodenwerten sollen künftig auch öffentliche Grundstücke in die Berechnung mit einfließen. Diese werden oft zu niedrigeren Preisen verkauft. Die SPD-Fraktion erhofft sich von der Neuregelung eine bremsende Wirkung auf die Bodenpreisentwicklung.
  • Das gesetzliche Vorkaufsrecht der Kommunen will die SPD-Fraktion auf alle Gebiete ausweiten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum in Gefahr ist. „Dieses Vorkaufsrecht muss preislimitiert auf Basis des Ertragswerts (sozial verträglich erzielbare Miete) sein, um überhöhte Ankaufspreise zu verhindern“, heißt es im Papier.
  • Die SPD-Fraktion will kommunale Bodenfonds stärker unterstützen.
  • Mit einer „Grundsteuer C“ soll Baulandspekulation eingedämmt werden.
  • Gewinne aus „leistungslosen Bodenwertsteigerungen“ wollen die Sozialdemokraten teilweise abschöpfen und den Kommunen zur Verfügung stellen. Hierzu schlägt die Fraktion verschiedene Instrumente vor, legt sich aber noch nicht fest. Ein weiterer Vorschlag: Mit einem „Planungswertausgleich“ könnte der Staat an Wertsteigerungen mitverdienen, die beispielsweise aufgrund einer neuen Bushaltestelle oder eines neuen vom Steuerzahler finanzierten Parks entstehen.

Mehr Personal, mehr Transparenz auf dem Mietmarkt

Um wieder mehr Personal in den Bau- und Planungsämtern aufzubauen, sollen auf regionaler und Landesebene Entwicklungsgesellschaften eingeführt werden, fordern die Sozialdemokraten.

Eine weitere wesentliche Forderung der SPD-Fraktion ist die Einführung eines Immobilienregisters, das offenlegt, wem welche Immobilie eigentlich gehört. Und es soll ein digitales Mieterfassungssystem eingeführt werden, in dem alle Neuvertragsmieten erfasst werden – sowie bestehende Mieten, wenn eine der Vertragsparteien diese freiwillig meldet. Mittelfristig könnten mit diesen Daten auch rechtssichere Mietspiegel erstellt werden.

Vermietungsplattformen für Ferienwohnungen wie Airbnb sollen stärker besteuert werden. Zudem will die SPD-Fraktion sie dazu verpflichten, Auskünfte über Vermieter zu erteilen, deren Inserate nicht wie vorgeschrieben registriert sind.

Schließlich will die SPD-Fraktion ein staatlich unterstütztes Mietkaufmodell einführen und den Erwerb von Genossenschaftsanteilen bezuschussen. Maklerkosten sollen für Käufer gesenkt werden.

Lob vom Mieterbund

Präsentiert wurde das Papier am Mittwoch im Rahmen einer Fachkonferenz im Reichstag. Fraktionsvize Sören Bartol betonte, die SPD wolle damit eine Diskussion anregen. „Auch so ein Papier hat keinen abschließenden Charakter.“ Es enthalte klare Vorschläge, mit denen man nun auf die Union zugehe.

Der Präsident des Deutschen Mieterbundes Lukas Siebenkotten bewertet das Papier als „großen Schritt in die richtige Richtung”. Die SPD greife langjährige Forderungen des Mieterbundes auf. Insgesamt mache das Papier den Eindruck, „dass die SPD die Interessen der durch Mieterhöhungen in den letzten Jahren arg gebeutelten Mieterinnen und Mieter wieder mehr in das Blickfeld ihres Handels rücken will”.

Das Positionspapier als PDF:
spdfraktion.de

Dieser Artikel erschien zunächst bei demo-online.de.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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