Da ist dieses Bild mit dem Baum und den Tieren. Eine Katze, ein Affe, ein Hund und ein Elefant sollen auf eine Eiche klettern. Katze und Affe sind schnell oben, Hund und Elefant mühen sich,
haben jedoch keinen Erfolg. "Ihr habt doch alle dieselbe Chance", wundert sich der Schiedsrichter, der dabei steht. "Wieso nutzt ihr sie nicht?"
Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), mag dieses Bild, verdeutlicht es doch, wie es um die Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem bestellt ist:
Objektiv gesehen hat jeder dieselben Voraussetzungen, subjektiv gesehen ist jedoch das Gegenteil der Fall.
"Wir müssen die institutionellen Rahmenbedingungen für Bildung in Deutschland verändern", ist Allmendinger deshalb überzeugt. Für ihre Forderung bekommt die Soziologin viel Applaus im
Hans-Jochen-Vogel-Saal des Willy-Brandt-Hauses in Berlin. Es ist Freitagmittag der 16. April. Einen Tag vor Beginn ihrer Bundesdelegiertenkonferenz hat die Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der
SPD (AfB) zu einer Konferenz eingeladen. "Bildungsfinanzierung in der Krise" lautet der Titel.
Bildungsfinanzierung in der "Dauerkrise"
Der sei bewusst doppeldeutig gewählt worden, sagt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Eva-Maria Stange. Schließlich befinde sich auf der einen Seite die Bildungsfinanzierung seit Jahren
in einer "Dauerkrise", auf der anderen Seite dürften die Anstrengungen, die Bildungsangebote in Deutschland zu bezahlen, auch in der derzeitigen Wirtschaftskrise nicht nachlassen: "Gerade jetzt
müssen wir verstärkt in Bildung investieren."
Genauso sieht es auch WZB-Chefin Allmendinger, doch ihre Forderung geht noch weiter: "Wir brauchen eine andere Bildungsfinazierung." Noch immer gebe die Bundesrepublik das meiste Geld für
diejenigen aus, die Gymnasien besuchten - und nicht für die frühkindliche Bildung. So verstärke sich die Kluft zwischen einer kleinen, gut ausgebildeten Gruppe und dem Rest der Bevölkerung.
Überhaupt sei die oft beschworene Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems eine "Illusion". Offen sei dies höchstens nach unten. Es habe sich eine "Abstiegsmobilität" entwickelt, so
Allmendinger. Hierfür seien viele Faktoren verantwortlich: die Uneinheitlichkeit der Bildungssysteme zwischen den Bundesländern, die Fixierung auf Bildungsabschlüsse statt auf soziale und
emotionale Kompetenzen und ganz besonders das vielgliedrige Schulsystem, das eine extrem hohe Zahl "funktionaler Analphabeten" - also Menschen, die zwar lesen können, aber das Gelesene nicht
verstehen - hervorbringe. Für Allemendinger ist klar: "So ist Deutschland nicht überlebensfähig."
Kraft: "Bildung ist Chefsache"
Hannelore Kraft hat das offenbar erkannt. "Wir setzen auf die Gemeinschaftsschule", sagt die SPD-Spitzenkandiatin für die die nordrhein-westfälische Landtagswahl am 9. Mai. "Bildung ist
Chefsache. Wenn ich Ministerpräsidentin bin, werde ich sie so handhaben", kündigt Kraft in ihrer abschleßeenden Rede vor der AfB-Versammlung an. "Beste Bildung für alle", fordert die SPD in ihrem
Wahlprogramm und die reicht von der Kita bis zur Uni. Durch eine generelle Gebührenfreiheit und höhere Bildungsausgaben will Kraft für mehr Gerechtigkeit in diesem Bereich sorgen.
So sollen auch die im Jahr 2006 von der Landesregierung unter Jürgen Rüttgers eingeführten Studiengebühren schrittweise fallen. "Wir fangen 2010 mit der Senkung an, um Mitte der Legislatur
bei Null zu sein", verspricht Kraft. "Alles andere wäre unehrlich." Auch das so genannte Turbo-Abitur nach zwölf statt 13 Schuljahren soll nicht länger verpflichtend sein, wenn die SPD in
Nordrhein-Westfalen regiert. Wer mehr Zeit zum Lernen braucht, soll sie bekommen.
Vom Bildungsgipfel im Juni, an dem sie als Ministerpräsidentin teilnehmen würde, erhofft sich Kraft nicht zuletzt ein "starkes Signal" bei der Einbindung Behinderter. Diese würden derzeit
allzu oft vom Bildungssystem ausgeschlossen. Auch hier müsse gelten: "Kein Kind darf zurückgelassen werden." Doch Bildungsgipfel hin oder her: Letztlich sei entscheidend, dass Bildung jeden Tag
oberste Priorität habe.
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