Inland

So hilft Europa Jugendlichen, in Arbeit zu kommen

Mit selbst verdientem Geld das eigene Leben finanzieren und gestalten – für einige Jugendliche ist das ein schier unerreichbares Ziel. Das Projekt „Ausbildungsstark“ hilft benachteiligten jungen Menschen, eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Der Erfolg ist beachtlich.
von Yvonne Holl · 22. Juni 2016
Hilfe für Jugendliche: Initiative Joblinge
Hilfe für Jugendliche: Initiative Joblinge

„Hier fühle ich mich total wohl“, sagt Dustin Graf, breitet die Arme aus und zeigt in der BMW-Werkstatt umher. Seit vier Wochen ist der 19-Jährige Praktikant in der Berliner Niederlassung des Autobauers. Nicht nur Dustin freut sich, auch seine Mentorin Syliva Giesel ist stolz auf den jungen Mann. Die 58-Jährige ist Wirtschafts-Ingenieurin bei BMW und seit 2010 ehrenamtliche Mentorin der Initiative Joblinge, die langzeitarbeitslose junge Menschen dabei unterstützt, eine Ausbildung zu starten, durchzuhalten und abzuschließen.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gab jüngst in  Berlin den Startschuss für das neue Joblinge-Projekt „Ausbildungsstark“, das mit EU-Fördergeld benachteiligte junge Leute in Arbeit bringen soll. „Gut angelegtes Geld“, findet die Ministerin. Denn in einer „ziemlich aufwendigen, individuellen Betreuung“, werde vielen geholfen, die sonst auf staatliche Hilfe angewiesen seien.

Mentoren springen ein, wo es an familiärer Hilfe mangelt

Die meisten Teilnehmer haben, wie Dustin Graf, bereits Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt gesammelt – in der Regel aber negative. „Ich habe mal als Rohrleger gearbeitet und eine Ausbildung als Anlagenmechaniker abgebrochen. Also, ich wurde rausgeworfen.“ Eine weitere Lehrstelle konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten. „Da kann man schon mal deprimiert werden“, erzählt der junge Mann. Dass er sich „aus diesem Loch wieder rausziehen“ konnte, war ermöglichte ihm die „Ausbildungsstark“-Initiative.

Graf hofft, sich zu bewähren und dann eine Ausbildungsstelle bei BMW zu erhalten. Damit er eventuelle Hürden und Fallstricke gut meistern kann, steht ihm Sylvia Giesel zur Seite. Mindestens einmal in der Woche trifft sie sich mit Graf. So hält sie es mit all ihren Schützlingen. Acht junge Leute hat sie bereits bei ihrer zweiten oder auch dritten Chance, einen Beruf zu erlernen, unterstützt. „Die Fragen reichen von 'Was ziehe ich an?' bis zur Wohnungssuche oder Ärger mit der Freundin. Oft geht es einfach darum, dass jemand zuhört und mal einen Rat gibt.“

Denn häufig mangelt es den Ausbildungsstark-Teilnehmern an familiärer Hilfe – aus verschiedensten Gründen. Jeder hat seine eigene Geschichte und seine eigenen Probleme im Gepäck.

Geld vom Europäischen Sozialfonds

„Ausbildungsstark“ wird vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert, im Rahmen der EU Integrationsrichtlinie „Integration statt Ausgrenzung“. 320 junge Männer und Frauen können an dem Projekt teilnehmen, das seit Sommer letzten Jahres und noch bis Mitte 2019 läuft. „Hier zeigt Europa sein soziales Gesicht“, lobt Nahles.

Geplant und durchgeführt wird das Projekt von der Initiative Joblinge, die mit ihren Projekten für junge, benachteiligte Menschen bereits 4000 Jugendliche bundesweit begleitet hat – mit einer Erfolgsquote von immerhin 75 Prozent. Ziel von Joblinge ist es, „die jungen Leute in die Lage zu versetzen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und sich zu emanzipieren von  staatlichen Hilfsleistungen“, sagt Joblinge-Vorstand Ulrike Garanin. Sie sieht in der „Integration in Arbeit und dadurch in die Gesellschaft“ eine der wichtigsten Herausforderungen, vor denen Deutschland derzeit stehe. Für BMW ist die Teilnahme am Projekt „unser Beitrag zum gesellschaftlichen Engagement“, so Philip von Sahr, Leiter des BMW-Niederlassungsverbundes Ost.

Unterstützen, nicht bevormunden

Damit das gelingt, arbeiten viele Kräfte zusammen: Unternehmen wie BMW, Hauptamtliche der Initiative, Ehrenamtliche aus den beteiligten Firmen, der Bund und die EU. Wichtigste Regel bei Joblinge: „Wir verlangen den jungen Menschen viel ab und trauen ihnen viel zu.“ Sie arbeiten in Betrieben, nehmen an Gruppenprojekten teil und erhalten eine Eins-zu-eins-Betreuung. „Man darf Unterstützung nicht damit verwechseln, die Verantwortung für jemand anderen zu übernehmen, das sollen die Teilnehmer selbst tun“, erklärt Garanin.

Wer einen der Ausbildungsstark-Plätze erhalten will – in der Regel vom Arbeitsamt vermittelt – muss erstmal seine Bereitschaft beweisen, indem er vier Wochen gemeinnützige Arbeit leistet. „Überhaupt zu erscheinen jeden Morgen, das ist schon die erste Hürde, an der viele scheitern“, schildert Giesel. Dustin Graf hat diesen Test bestanden und ist weiter voll motiviert.

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Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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