Inland

„Schritt in die richtige Richtung“

von Susanne Dohrn · 26. Mai 2010
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vorwärts.de: Wie bewerten Sie die Entscheidung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Schuldtitel erwirbt und so für die Verbindlichkeiten einzelner Regierungen aufkommt?

Heiner Flassbeck: Das ist ein Schritt in eine richtige pragmatische Richtung, den man schon lange hätte machen können.

Wurde der Maastrichtvertrag außer Kraft gesetzt?

Nein, es greift der Artikel des Vertrages, der den Fall außergewöhnlicher Ereignisse behandelt, die außerhalb der Verantwortung der Staaten liegen. Auslöser war eine irrationale Hype an den Finanzmärkten. Das ist auch kein Bail Out, also eine Übernahme der Schulden, sondern eine Finanzierung von Krediten, die das Land am Kapitalmarkt nicht zu vernünftigen Konditionen hätte aufnehmen können.

Sind die Griechen ganz unschuldig an ihrer Lage?

Nein, die Griechen haben viele Fehler gemacht. Die Statistik-Trickserei war eine enorme Dummheit. Deshalb sind sie in den Fokus der Finanzmärkte geraten. Aber man darf nicht so tun, als ob die Finanzmärkte mit ihren Entscheidungen immer richtig liegen. Sie liegen eindeutig öfter falsch als richtig. Die zentrale Tatsache z. B., dass Griechenland in den vergangenen zehn Jahren von allen Ländern in der Eurozone am meisten in Maschinen und Ausrüstung investiert hat, wird bei der selektiven Betrachtung durch die Finanzmärkte vollkommen ausgeklammert: Informationen werden so gefiltert, dass sie den Märkten in den Kram passen.

EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn fordert, die Haushaltsentwürfe von der EU-Kommission prüfen zu lassen, bevor sie beschlossen werden, um solche Fälle für die Zukunft zu verhindern. Halten sie das für sinnvoll?

Die EU muss genau hinsehen, was das Gesamtergebnis ist. Aber ein Land hat nicht darüber zu urteilen, ob die Pensionen in einem anderen Land zu hoch sind. Man muss auch nicht den vollen Sprung in eine Wirtschaftsregierung machen. Das entscheidende Problem der Europäischen Wirtschaftunion (EWU) sind die auseinanderlaufenden Lohnstückkosten. Das darf in einer Währungsunion niemals passieren. Normalerweise gleichen Wechselkurse solche Unterschiede aus. Ein Land mit eigener Währung kann abwerten und so wieder konkurrenzfähiger werden. Diese Möglichkeit gibt es in der EWU nicht mehr.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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