Inland

Schluss mit dem Patriarchat

von Anna-Katharina Meßmer · 27. April 2012
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Die Forderung der SPD nach Geschlechtergerechtigkeit darf sich nicht auf die Politik beschränken. Denn auch das Private ist politisch. Hier fehlen glaubwürdige Vorbilder. Wenn wir gleiche Teilhabe für Frauen und Männer verwirklichen wollen, müssen wir alle Lebensbereiche umgestalten: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“. So steht es im „Hamburger Programm“, dem Grundsatzprogramm der SPD. 

Wenn es den SozialdemokratInnen um die Überwindung patriarchaler und diskriminierender Strukturen geht, dann ist es nicht damit getan, einen negativ belegten Männlichkeitsbegriff zu bemühen. Schöner wäre es zu sagen: Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die partnerschaftliche anstreben.

Kein leichter Weg

Das Eine zu überwinden und das Andere zu erreichen, ist kein leichter Weg. Politik soll in erster Linie Rahmenbedingungen schaffen, und zugleich ist es nicht immer einfach, zu unterscheiden zwischen den Strukturen, die PolitikerInnen (und nicht abstrakt „die Politik“) schaffen und ihrem persönlichen Handeln. Ob wir es wollen oder nicht, werden PolitikerInnen als BürgerInnen und Privatpersonen sichtbar. Hier entstehen Inkonsistenzen. 

Zum Beispiel dann, wenn es für ParlamentarierInnen nicht die Möglichkeit gibt, in Elternzeit zu gehen, und sich Abgeordnete genau die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verwehren, die sie für BürgerInnen fordern und ermöglichen. Ein Problem, das auch Sigmar Gabriel kennt, der sich demnächst drei Monate vorwiegend um seine Tochter kümmern möchte. Wenn wir darüber reden, dass das Verhalten eines Menschen ein Amt beschädigen kann, dann müssen wir auch darüber reden, dass Personen in Ämtern Vorbildfunktionen haben.

Wenn die SPD Geschlechtergerechtigkeit fordert, gehört mehr dazu als die Forderung nach Familienteilzeit und Kitaplätzen. Dazu gehört auch, selbst neue Männlichkeitsbilder zu leben. Dazu gehört auch, offen über die Wut und Enttäuschungen junger Väter zu reden, die sich nach wie vor einengenden Rollenzuschreibungen und Handlungszwängen ausgesetzt sehen. 

Mehr männliche Vorbilder

Und vor allem gehören dazu (männliche) Vorbilder, die uns zeigen, dass Partnerschaftlichkeit möglich ist und vor allem: dass sie sich lohnt. Gleiche Teilhabe bedeutet nicht nur mehr Frauen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, in der Politik. Sie bedeutet auch: mehr Männer in pflegenden Berufen, in der Familienpolitik und in den Familien. Denn Emanzipation kann nie nur von einer Seite gedacht werden.

Dabei begegnet uns ein altbekanntes Problem: Wir verschieben Sichtbarkeit auf einen Bereich, den wir als privat empfinden. Und dabei holt uns das Unbehagen der „Tyrannei der Intimität“ (Richard Sennett) ein. Doch der Verweis auf die rein private Dimension verschleiert, dass das Private eben doch politisch ist. Ein Dilemma, das wir nicht auflösen können. 

Wir können uns nur innerhalb dieser Widersprüche bewegen und dort unsere Hoffnungen formulieren. Dazu gehört auch, die Konsistenz nach gelebter Gleichstellung in der SPD zu fordern, die sich dieses Thema so sehr auf die Fahne schreibt. Nie ganz ohne Unbehagen. Aber wir müssen sie fordern, wenn wir sie uns wünschen. 

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Anna-Katharina Meßmer

arbeitete im SPD-Parteivorstand und als Regieassistentin für den Dokumentarfilm „Sozialdemokraten –
18 Monate unter Genossen“. Derzeit promoviert sie in Soziologie über Körperpolitik.

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