Inland

Schlecker-Prozess - wo bleibt die Verantwortung der Unternehmer?

27.000 Mitarbeiterinnen verloren ihren Job. Doch „Drogerie-König“ Anton Schlecker kommt mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davon. Vorsätzlicher Bankrott, so der Vorwurf. Wo bleibt die Verantwortung der Unternehmer in Deutschland?
von Vera Rosigkeit · 27. November 2017
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Eine zweijährige Bewährungsstrafe für Anton Schlecker, jeweils zweieinhalb Jahre Haft für seine beiden Kinder Lars und Meike ­– so lautet das Urteil des Landegerichts Stuttgart sechs Jahre nach der Insolvenz der großen Drogeriemarktkette. Der Vorwurf lautete: Vorsätzlicher Bankrott, denn Schlecker hatte kurz vor der Insolvenz Vermögen an die Seite geschafft, um sie vor den Gläubigern zu „retten“.

27.000 Mitarbeiterinnen verloren ihren Job

Sicherlich haben sich viele Beschäftigte der ehemaligen Schlecker Filialen ein härteres Urteil für den Drogerie-Chef Anton Schlecker gewünscht, immerhin verloren damals 27.000 Mitarbeiterinnen ihren Job. Deren Enttäuschung kann Baden-Württembergs SPD-Vorsitzende Leni Breymaier verstehen. Die Mitarbeiterinnen hätten sich mit ihrer ganzen Kraft und Persönlichkeit für ‚ihre’ Filiale eingesetzt und „warten immer noch auf eine Entschuldigung“, betont sie am Montag nach der Urteilsverkündung. Für die Zukunft fordert sie mehr Kontrolle. Es könne nicht sein, dass „ein eingetragener Kaufmann in der Spitze 50.000 Menschen beschäftigt, ohne jede demokratische Kontrolle eines Aufsichtsgremiums“, erklärt sie. „Das müssen wir aus der Schlecker-Pleite lernen.“

Fehlende Unternehmensverantwortung

Auch Stefanie Nutzenberger vom verdi-Bundesvorstand zeigt sich verärgert: Die Verbitterung der Frauen, die „von heute auf morgen auf die Straße gesetzt und ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden“ habe die jetzt Verurteilten nie interessiert, erklärt sie. „Stattdessen hat sich die Unternehmerfamilie Schlecker öffentlich selbst bemitleidet und gleichzeitig Millionen Euro aus dem Geschäft verschwinden lassen“, fügt sie hinzu.

Nutzenberger bezeichnet das Urteil als „Antwort des Rechtsstaates auf diese Form der Wirtschaftskriminalität und fehlende Unternehmensverantwortung“. Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche eine dreijährige Freiheitsstrafe gegen den ehemaligen Drogerie-Unternehmer beantragt. Schließlich war Schlecker  nicht wegen der Insolvenz verurteilt worden, sondern wegen des Verdachts, kurz vor dem Bankrott Vermögen an die Seite geschafft zu haben, um sie so einem Zugriff der späteren Gläubiger zu entziehen. Nutzenberger äußert zudem die Vermutung, dass eine Überweisung von vier Millionen Euro zur „Schadensregulierung“ an den Insolvenzverwalter kurz vor dem Urteil das Gericht milde gestimmt habe. „Davon bekommt allerdings keine ehemalige Schlecker-Frau einen neuen Arbeitsplatz oder ihr entgangenes Gehalt“, so Nutzenberger.

Die Frage nach der Unternehmensverantwortung ist demnach berechtigt und wiederholt sich dieser Tage. Erst vergangene Woche hatte die Leitung des Siemens-Konzerns verkündet, 7.000 Mitarbeiter entlassen zu wollen. Beinahe zeitgleich meldete Siemens einen Gewinn von sechs Milliarden Euro. Die Frage lautet also folgerichtig: Wann endlich werden Unternehmen in die Verantwortung genommen?

 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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