Sachsen-Anhalt: Katrin Budde auf Zuhör-Tour
Thomas Trutschel/photothek.net
Nach zwei Stunden bei Kaffee und Kuchen zitiert Katrin Budde Franz Josef Strauß. „Man muss dem Volk aufs Maul schauen, darf ihm aber nicht nach dem Munde reden.“ Der Satz des früheren CSU-Chefs gilt als Bonmot der Politik. In die „Alte Posthalterei“ in Stolberg im Harz passt er an diesem Februarnachmittag besonders gut.
Die Sorgen der Kleinunternehmer
Die Landtagsabgeordnete Nadine Hampel hat Katrin Budde, die Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl am 13. März, zu einer Gesprächsrunde in ihren Wahlkreis eingeladen. „Unternehmertum im Südharz: Perspektiven für den kleinen Mittelstand“ lautet die Überschrift für das Treffen. In der Passagierstube, in der früher Reisende auf dem Weg nach Magdeburg, Leipzig oder Erfurt auf die nächste Kutsche für die Weiterfahrt warteten, sitzt ein Dutzend Unternehmer aus dem Südharz an einem großen Tisch.
Der Besitzer eines Hühnerhofs ist gekommen, eine Imkerin, der Besitzer eines Autohauses und eine Frau, die Brotaufstriche aus Getreide herstellt. An den Wänden hängen alte Posthörner und Landkarten, im Fenster stehen Räuchermännchen und ein Schwippbogen. Über dem Tisch hängt ein gelbes Schild. „Hier geht die Post ab“, steht darauf.
Ein Bündnis der Demokraten
Als Budde Strauß zitiert, hat sich der Mann mit dem Autohaus gerade Luft gemacht. „Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, wie unzufrieden die Leute mit der Politik wegen der vielen Ausländer sind. Die Landtagswahl wird das zeigen.“ Von draußen klatscht der Schneeregen an die Scheibe, drinnen bollert der Kachelofen als Katrin Budde antwortet. Den Mann im senfgelben Hemd hat sie dabei fest im Blick. „Mir ist völlig klar, was die Menschen denken. Ich halte die aktuelle Stimmung für sehr gefährlich. Aber wer jetzt sagt, dass eine Obergrenze für Flüchtlinge alle unsere Probleme löst, lügt und wird damit noch größere Probleme produzieren.“
In der Passagierstube ist es still. Alle am Tisch haben eine ernste Miene. Sie sei „grottenfroh, dass Frank-Walter Steinmeier unser Außenminister ist“, setzt Katrin Budde nach und unterstreicht: „Wir müssen eine gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage finden.“ Die Mienen bleiben ernst. Manche nicken.
Auf Distanz zur AfD
„Die AfD ist bei Treffen wie diesem oft gar kein Thema“, sagt Budde später im Auto auf der Fahrt nach Magdeburg. Meistens gebe es nur Andeutungen wie die des Autohausbesitzers. Für die SPD-Spitzenfrau kein Grund, die Partei nicht offensiv anzugehen. „Im Spektrum von Pegida und AfD gibt es Leute, die keine Problem mit Mordaufrufen haben. Ich sollte auch schon aufgehängt werden“, sagt Budde. „Warum sollte ich zu denen nett sein?“
Im Januar, als sie in Magdeburg ihr Kompetenzteam vorstellte, rief sie die anderen Parteien zu einem „Schulterschluss der demokratischen Kräfte“ gegen die AfD auf. „Ich setze darauf, dass wir Demokraten uns in Sachen AfD genauso einig sind, wie wir es schon gegenüber der DVU und der NPD waren.“ Linke und Grüne sind dafür offen. Von der CDU, die den Ministerpräsidenten stellt, gab es eine Absage.
Kampf gegen das Image als Billiglohnland
CDU-Innenminister Holger Stahlknecht hatte schon vorher per Interview mitgeteilt, er sehe „die AfD nicht außerhalb unserer Verfassung“. Sie sei „eine Partei, die überwiegend durch Bürgerliche besetzt wird“. Dass AfD-Landeschef und Spitzenkandidat André Poggenburg zum rechtspopulistischen Flügel der Partei gehört und im vergangenen Jahr in Tröglitz an einer Podiumsdiskussion mit einem wegen Volksverhetzung vorbestraften Rechtsextremisten teilnahm, spielt für Stahlknechts Einschätzung offenbar keine Rolle.
„Ich bin André Poggenburg im Wahlkampf noch nicht begegnet. Voraussichtlich treffen wir nur bei einer Podiumsdiskussion aufeinander “, erzählt Katrin Budde. Statt über die AfD spricht sie auch lieber über die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt. Das Thema Arbeit steht im Mittelpunkt ihrer Wahlkampagne. Auf ihrem ersten Großflächenplakat steht der Slogan „Es ist Zeit für gute Löhne“.
Das Land der Callcenter
„Wir haben lange mit Billiglöhnen geworben“, sagt Katrin Budde auch den Kleinunternehmern in Stolberg. Der Ruf des Billiglohnlands sei aber „ein Mist-Image“, denn „wenn überall steht, dass man billig ist, ist man nichts wert“. Auch deshalb wanderten viele jungen Menschen in andere Bundesländer ab. „Wir sollten besser damit werben, dass es bei uns viele gut ausgebildete Menschen gibt.“ Die Unternehmer im Harz verlässt sie deshalb mit einer Bitte. „Wenn alle kleinen Unternehmen in Sachsen-Anhalt nur eine weitere Person einstellen würden, hätte das dieselbe Wirkung wie die Ansiedlung von zwei Großunternehmen.“
Zwei Stunden später sitzt Katrin Budde in einem Restaurant in der Magdeburger Innenstadt. Den Besitzer kennt sie seit vielen Jahren persönlich. Neben ihr sitzt der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. Vor den beiden hat etwa ein Dutzend Betriebsräte aus Callcentern Platz genommen.
Vorbereitung auf die Zeit nach der Wahl
Gerade hat Andreas Steppuhn, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Sachsen-Anhalt als das „Land der Callcenter“ vorgestellt. Knapp 12.000 Menschen arbeiten in der Branche. „Noch schöner wäre, wenn aus Sachsen-Anhalt das Land der guten Arbeit in Callcentern würde“, sagt Ralf Stegner und die Betriebsräte lächeln.
In klaren Worten machen sie deutlich, was gute Arbeit für sie ausmacht. „Die Politik sollte Qualitätsstandards festlegen, die für Callcenter-Betreiber bindend sind.“ „Die Leiharbeit müsste stärker reglementiert werden.“ „Der Mindestlohn sollte schnell auf zehn Euro erhöht werden.“ Katrin Budde hört aufmerksam zu. Ab und an nickt sie oder legt die Stirn in Falten.
Als Wirtschaftsministerin war sie Anfang des Jahrtausends daran beteiligt, Callcenter-Betreiber ins Land zu locken. „Die Branche ist sehr schnell gewachsen“, sagt sie jetzt. An vielen Stellen würden die Regelungen nicht Schritt halten. „Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen vernünftig werden.“ Katrin Budde wird auch nach dem 13. März gut zu tun haben.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.