Inland

Rote Karte für das Kanzleramt

von Susanne Dohrn · 7. Mai 2008
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Von Susanne Dohrn

"Wir sind nicht weit genug vorangekommen," erklärt Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Der Rat hat untersucht, wo Deutschland beim nachhaltigen Wirtschaften die selbst gesteckten Ziele erreichen wird und wo nicht. Fazit: Zwei Drittel der Ampeln stehen auf Rot oder Gelb. Das heißt, die Ziele sind ohne grundlegende Änderungen der Politik oder ohne zusätzliche Maßnahmen nicht erreichbar. Nur ein Drittel steht auf Grün, das heißt die Ziele können erreicht werden.

Enttäuscht von der Bundeskanzlerin

Beschlossen wurde die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie 2002 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Auch die neue Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verpflichtet. Die Koordination der Maßnahmen liegt im Kanzleramt. Hier setzt auch die Kritik von Volker Hauff an: "Der Versuch ist gescheitert, aus der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ein politisches Werkzeug zu machen, das alle Ressorts auf Ziele verpflichtet und diese auch umsetzt." Enttäuscht ist Hauff auch von der Bundeskanzlerin. Die hatte im Herbst 2007 in ihrer Rede auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung zugesagt, Nachhaltigkeit zum Leitprinzip der Politik der Bundesregierung zu machen. Volker Hauff kleidete seine Antwort damals in ein afrikanisches Sprichwort: "Wörter sind schön, aber Hühner legen Eier."

Viel zu viele rote Ampeln

An einigen Beispielen lässt sich deutlich machen, wo die Probleme liegen:

Energieproduktivität: Ziel war eine Verdoppelung zwischen 1990 und 2020. Erreicht bis 2006 wurden aber nur 31 Prozent.

Rohstoffproduktivität: Ziel war eine Verdoppelung zwischen 1994 und 2020. Erreicht wurden bisher 33,5 Prozent.

Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche: Das tägliche Wachstum soll auf 30 Hektar pro Tag im Jahr 2020 reduziert werden. 1992 waren es 120 Hektar pro Tag, 2005 waren es immer noch 118 Hektar pro Tag.

Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung: Sie sollen auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden, stagnieren aber seit 1991 bei 2,5 Prozent.

Ausbildungssituation der unter 25-Jährigen: Der Anteil ohne Ausbildungsabschluss sollte auf 9,3 Prozent im Jahr 2010 und 4,6 Prozent im Jahr 2020 zurückgehen, derzeitiger Anteil 14 Prozent (1999 waren es 15 Prozent). Bei all diesen Beispielen steht die Ampel auf Rot.

Weitere kritische Punkte: Nach wie vor ist die Erwerbstätigenquote zu niedrig, die Entwicklung des ökologischen Landbaus geht zu langsam voran, die Schadstoffbelastung sinkt nicht schnell genug und die Ganztagsbetreuungsangebote für Kinder in den alten Bundesländern sind nach wie vor zu schlecht. Schon besser sieht es aus bei der Verminderung von Treibhausgasemissionen, gut beim Anteil Erneuerbarer Energien am Energieverbrauch und bei der Konsolidierung des Staatshaushaltes.

Mehr Druck der Öffentlichkeit

Dass der Bericht auf Seiten der Bundesregierung nicht nur für Freude sorgt, darüber sind sich die Mitglieder des Rates für nachhaltige Entwicklung klar. Zur Aufgabe des Rates gehört es allerdings nicht nur, die Bundesregierung zu beraten, sondern auch, die öffentliche Diskussion voranzubringen. Wer es mit der Nachhaltigkeit ernst meint, der muss unseren Bericht eigentlich gut finden, so Angelika Zahrnt, Ehrenvorsitzende des BUND und Mitglied im Rat.

Mehr: "Welche Ampeln stehen auf Rot?", Stand der 21 Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf der Grundlage des Indikatorenberichts 2006 des Statistischen Bundesamtes. www.nachhaltigkeitsrat.de

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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