Wegen ihrer höheren Rate rechtsextremer Kriminalfälle haben die neuen Bundesländer einen Wettbewerbsnachteil. So lautet das Fazit einer Studie der Universität Halle-Wittenberg aus dem Jahr
2003. Dass es die überhaupt gibt, grenzt beinahe an ein Wunder. "Die Wirtschaft wollte uns nicht unterstützen", berichtete der Leiter der Studie Kai-D. Bussmann. "Niemand hatte Interesse, Staub
aufzuwirbeln."
Mit Hilfe der IHK Sachsen-Anhalt konnte die Studie schließlich verwirklicht werden - und förderte interessante Ergebnisse zu Tage. "Das Image des Betriebsstandorts wurde von den 600 befragten
Unternehmen als einer der wichtigsten Faktoren bei der Standortentscheidung genannt", erklärte Bussmans Mitarbeiter Markus Werle. Dieses werde von rechten Straftaten negativ beeinflusst. Auch der
Ruf deutscher Produkte im Ausland leide, sobald rechtsextreme Übergriffe zunähmen. "Bestimmten Regionen wurde so ein rechter Stempel aufgedrückt", sagte Werle. Diesen dann wieder loszuwerden sei
schwierig.
Fremdenfeindlichkeit als Wachstumshemmnis
"Fremdenfeindlichkeit ist ein Wachstumshemmnis für deutsche Unternehmen", pflichtete Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, bei.
Niemand wisse, wie viele Unternehmen wegen des schlechten Images mancher Regionen gar nicht erst nach Deutschland kämen. "Verpasste Chancen lassen sich statistisch nicht erfassen", so Dercks. Als
eine Lösung schlug er vor, die interkulturelle Kompetenz in den Betrieben mittels Weiterbildung der Mitarbeiter zu erhöhen.
Allerdings, so Kajo Wasserhövel, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales sei "die Wirtschaft sehr schwerfällig, wenn sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen
soll". Zudem vermisse er Kontinuität im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Das häufig genannte Argument der Arbeitslosigkeit ließ Wasserhövel nicht gelten. "Arbeitslosigkeit ist keine
Entschuldigung für Rechtsextremismus", so der Staatssekretär. "Es gibt keine Entschuldigung dafür, ein Schwein zu sein."
Betriebsvereinbarung gegen Rechts
Dass sich manch ein Unternehmen seiner Verantwortung sehr wohl bewusst ist, bewies Jürgen Peschel. Der Ausbildungsleiter des Brandenburger Stahlriesen "ArcelorMittal" in Eisenhüttenstadt
erklärte, wie sein Unternehmen rechten Gesinnungen begegnet. So wurde bereits im Jahr 2002 eine Betriebsvereinbarung über partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz geschlossen. Fällt ein
Mitarbeiter durch rechte Parolen oder menschenverachtendes Verhalten auf, drohen ihm arbeitsrechtliche Maßnahmen. "Die Vereinbarung gilt innerhalb und außerhalb des Werksgeländes", betonte Peschel.
Besonders liegt dem Ausbildungsleiter die präventive Arbeit mit den Jugendlichen am Herzen. Mit verschiedenen Maßnahmen werde versucht, ihnen die Werte menschlichen Zusammenlebens zu
vermitteln. "Integration lautet das Prinzip im gesamten Betrieb."
All diese Maßnahmen erzeugten Toleranz und strahlten auf die gesamte Region aus. Dabei sind sie im Grunde nur ein Nebenprodukt. Bestimmend seien rein ökonomische Interessen. "Ein Unternehmen,
das vom Export lebt und seine Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, kann sich Intoleranz und Rassismus nicht leisten", begründete Peschel das Engagement von "ArcelorMittal". Manchmal heiligt der Zweck
eben die Mittel.
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