Inland

Rassismus: Sind Polizist*innen ausreichend geschult?

Die Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt kritisieren, dass Polizei und Gerichte rassistische Straftaten nur selten erkennen. Stimmt das? Der „vorwärts“ hat beim Innenministerium in Niedersachsen nachgefragt.
von Sebastian Thomas · 10. Mai 2023
Vertreter*innen der Opferberatungsstellen bemängeln, dass Polizist*innen Rassismus nur selten erkennen würden. Niedersachsens Innenministerium weist die Kritik zurück.
Vertreter*innen der Opferberatungsstellen bemängeln, dass Polizist*innen Rassismus nur selten erkennen würden. Niedersachsens Innenministerium weist die Kritik zurück.

Täglich werden in Deutschland fünf Menschen Opfer rechter Gewalt. Das geht aus der Jahresstatistik für 2022 der Opferberatungen hervor. Laut der Untersuchung erreicht die Zahl der Betroffenen einen neuen Höchststand: 2.871. In der Auswertung verzeichneten die Expert*innen einen Anstieg von mehr als 15 Prozent bei rechten Gewalttaten – insbesondere Körperverletzungsdelikten.

Polizei und Justiz erkennen rassistische Taten nicht

Was auffällt: Rassismus sei bei mehr als der Hälfte der Fälle das dominante Tatmotiv. Polizei und Justiz würden an dieser Stelle eine Kompetenzlücke aufweisen. „Häufig wird Opfern rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt selbst die Schuld oder eine Mitverantwortung an einem Angriff zugeschrieben“, erklärt Doris Liebscher, Juristin und Leiterin der Ombudsstelle zum Berliner Antidiskriminierungsgesetz.

Insbesondere „werden rassistische Motive von Ermittlungsbehörden und auch von Gerichten nicht als solche erkannt oder berücksichtigt“, sagt sie. Zwar hätten die Bundesländer in diesem Bereich nachgeschärft – dennoch: Es „besteht beim Thema Rassismus eine große Lücke.“ Sie fordert daher flächendeckend Rassismusbeauftragte bei Polizei und Justiz.

Niedersachsens Innenministerium weist Vorwürfe zurück

Auf Grundlage dieser Kritik hat der „vorwärts“ beim niedersächsischen Innenministerium nachgefragt. „Es gibt in Niedersachsen keine strukturellen Defizite beim Umgang mit rechten Straftaten und Gewaltdelikten oder deren Opfern“, antwortet Pressesprecher Oliver Grimm. Im Gegenteil: „Die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität (PMK) und des Extremismus in all seinen Phänomenbereichen ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt in den Kernaufgaben der Sicherheitsbehörden.“

Außerdem verweist er auf das Jahr 2001. In dem genannten Jahr wurde sowohl die Erfassung als auch die Abbildung von PMK novelliert. Das gewährleistete in der Folge eine einheitliche und systematische Erhebung gesamten Daten zur PMK im Bundesgebiet und auch im Ausland – soweit hierzu in Deutschland ein Ermittlungsverfahren geführt wird.

Polizeibeamt*innen sind professionell geschult

„Ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen werden politisch motivierte Taten mindestens einem Themenfeld - aber soweit zutreffend auch mehreren Themenfeldern - zugeordnet sowie die erkennbaren ideologischen Hintergründe und Ursachen der Tatbegehung im Phänomenbereich abgebildet“, erklärt Oliver Grimm.

Zudem weist er darauf hin, dass alle Polizeibeamt*innen in Niedersachsen grundsätzlich entsprechend geschult sind, im Rahmen der Anzeigenaufnahme und Bearbeitung von Sachverhalten professionell, sensibel und kompetent auf Gewaltopfer einzugehen. Schließlich werde es als Daueraufgabe betrachtet, unter anderem „Mitarbeiter*innen der Polizei Niedersachsen, die in Fällen von PMK eingebunden sind, in einem kontinuierlichen Prozess wiederkehrend fortzubilden“.

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