Inland

Rasen, Mist und Gülle

von Susanne Dohrn · 25. April 2009
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Am Anfang war ein Cafe. Da saßen vier künftige Unternehmer und diskutierten. Was man produzieren könnte, was sich lohnt, was einen Beitrag zur Umwelt leisten könnte. Die zündende Idee hatte einer der beiden Ingenieure: Tobias Wittmann. Kohle aus Bioabfall. Erneuerbare Kohle sozusagen. Den Grundstoff dafür gibt's reichlich: ob es sich um den Inhalt von Biotonnen handelt, um Rasenschnitt, Mist oder Gülle. "Alles geeignet", sagt Hans-Joachim von Massow, einer der Gründer.

Schon Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der deutsche Chemiker und spätere Nobelpreisträger Friedrich Bergius nachgewiesen, dass aus Torf oder Holz steinkohleähnliche Verbindungen entstehen können. "Inkohlung" nennt sich der Prozess.

Dabei wird - sehr vereinfacht gesagt - der Biomasse bei hohem Druck und Temperaturen von etwa 200 Grad Wasserstoff und Sauerstoff entzogen und so peu à peu der Kohlenstoffanteil erhöht. Statt wie in der Erdgeschichte Jahrmillionen benötigt die kleine Produktionsanlage von "SunCoal" in Königs-Wusterhausen bei Berlin dafür deutlich unter zehn Stunden.

Ziel der Gründer ist es jetzt, Daten für die Verfahrenstechnik einer größeren Anlage zu erarbeiten. Gibt es denn auf der Welt nicht genug Kohle? Muss man die auch noch künstlich herstellen? Was als Nachteil erscheint, sehen die Gründer als Vorteil. "Weil die Kohlvorräte noch lange reichen werden, wird es auch die Infrastruktur für ihre Verarbeitung noch lange geben, zum Beispiel zur Stromerzeugung ", sagt von Massow. Dabei hat die künstlich hergestellte Kohle, sofern sie sich zu einem wettbewerbsfähigen Preis herstellen lässt, einen unschlagbaren Vorteil: Das CO2, das bei ihrer Verbrennung entsteht, belastet das Klima nicht zusätzlich, weil es aus dem aktuellen Kreislauf stammt.

"SunCoal" könnte sogar zur Verringerung der Treibhausgase beitragen, wenn das CO2, das bei ihrer Verbrennung entsteht, dem Kreislauf z.B. durch Verpressung in den Boden entzogen wird.

Das Konzept hat die Jury des Gründerwettbewerbs der WirtschaftsWoche so überzeugt, dass "SunCoal" im vergangenen Jahr den ersten Preis gewann. Gegen vier weitere Bewerber in der engeren Wahl, alle aus dem Trend-Bereich Internet und Dienstleistungen.

"Weil es eine interessante Technologie ist, ein Produkt, das in die Zeit passt und eine politische Dimension hat", vermutet von Massow.

Macht ihm die Finanzkrise Angst? Die habe Vor- und Nachteile, sagt er. Neue Mitarbeiter seien jetzt besser zu finden und die Lieferzeiten bei Bestellungen würden kürzer, und wenn die Renditen bei Finanzprodukten einbrechen, lohne es sich für Kapitalgeber wieder mehr, in junge Unternehmen zu investieren.

Dieser Artikel erscheint in der neuesten Ausgabe des vorwärts - ab den Samstag, den 25. April 2009 am Kiosk.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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