Rund 60 engagierte Genossinnen und Genossen aus ganz Deutschland diskutieren in Workshops ihre Vision von einem sozialen, friedlichen und offenen Europa. Die Europa Abgeordnete Barbara Weiler
und die Juso Bundesvorsitzende Franziska Drohsel erläutern wie Europa ist. Und wie es werden soll.
Für Weiler ist die Arbeit im europäischen Parlament "spannender" und "faszinierender" als
die im deutschen Bundestag. Zur Zeit sitzt sie im Ausschuss für Binnenmarkt und
Verbraucherschutz. Die Kandidatin des sieben Landkreise umfassenden Wahlkreises
Nordhessen weiß, wovon sie spricht. Schließlich war sie acht Jahre lang Mitglied des
Bundestags, saß dort im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung. In die SPD ist sie 1970
eingetreten - wegen Willy Brandt. Vorher war sie in der Friedensbewegung aktiv. "Leute
aus der Ostermarschbewegung - die nehmen wir nicht", kommentiert sie das Denken der
Genossen und Genossinnen lakonisch. Die SPD Vorstände fürchteten eine Aushöhlung
ihrer Politik, waren aber trotzdem machtlos gegen die Revoltierenden.
Europa müsse wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, betont Weiler. Dabei
ist ihre EU-Begeisterung ist nicht zu überhören: "Ich habe noch nie so viel Macht gehabt
wie im europäischen Parlament", und begründet, "im Bundestag müssen die
Abgeordneten quasi immer zustimmen, bei uns gibt es keinen Fraktionszwang." Jeder
Abgeordnete könne Änderungen einbringen, außerdem seien im europäischen Parlament
alle Ausschüsse öffentlich. "Wir müssen die parlamentarischen Mehrheiten ändern", fordert
sie.
Was kann Europa?
Das alles überschattende Thema sei die Finanz- und Wirtschaftskrise. "Es wackelt in der
EU", kommentiert die Abgeordnete die jüngsten Ereignisse. Osteuropäische Länder wie
Tschechien, Polen oder Lettland seien besonders vom Abschwung betroffen. Nach
jahrelangen wirtschaftlichen Wachstum, diese Staaten sind vermehrt auf Exporte nach
Europa angewiesen, befindet sich Osteuropa nun im freien Fall, leidet extrem unter der
sinkenden Nachfrage. In Österreich sei es das Bankenwesen, dass Grund zur Sorge
bereite. Nicht EU-Mitglied Island habe es ebenfalls schwer getroffen. Das Land im Norden
Europas entkam nur haarscharf einem Staatsbankrott. Spanien sei, mit Ausnahme des
einbrechenden Immobilienmarkts, vergleichsweise gut weggekommen.
"Es ist spannend und interessant zu beobachten, wie es weiter geht", gesteht Weiler. Und
Juso Chefin Drohsel räumt ein: "Man kommt um eine politische Diskussion der Krise nicht
umher." Auch die politische Linke müsse so ehrlich sein, dass wir momentan mehr Fragen
als Antworten haben. Drohsel begründet die Finanzkrise mit einem im Kapitalismus
angelegten Systemfehler. Was momentan geschehe, könne immer wieder passieren. Da
die Finanz- und Wirtschaftskrise zahlreiche Arbeitsplätze vernichtet, werde auch schon
bald der Ausbildungsmarkt betroffen sein. "Wir werden viel zu wenig Ausbildungsplätze
haben", prognostiziert Weiler. Darüber sollte die Bundesregierung sich schon jetzt
Gedanken machen.
Aber was kann Europa? Eine Leistung des europäischen Parlaments ist der
Verbraucherschutztarif. Telefonieren im Ausland ist nun günstiger. Und die
Waffenrichtlinie. Alle Waffen müssen registriert werden, dies sei europäisches Recht.
"Wenn Bürger an Europa denken, verbinden sie damit den Euro, offene Grenzen und
freien Urlaub", erläutert Nils Hindersmann, kooptiertes Mitglied im Bundesvorstand der
Jusos. Dabei hat jeder täglich mit Europa zu tun. Trinkwasser unterliegt europäischen
Standards, der Toast unterliegt europäischen Verbraucherschutzbestimmungen, auf den
Kaffe entfallen Außenzölle, die an die europäische Union wandern.
Soziales, friedliches und offenes Europa
"Eine andere politische Kraft macht eine andere Politik. Europa kann soziale Standards
sezten", findet Hindersmann. Oberste Priorität ist es, die Wahlbeteiligung zu steigern. "Die
Jungen Teams müssen die Jung- und Erstwähler und Wählerinnen begeistern", sagt
Weiler. Punkten will der Parteinachwuchs mit sozialer Gerechtigkeit. Die Jusos sind gegen
Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. Sie fordern soziale Mindestnormen, wie einen
einen einheitlichen europäischen Mindestlohn, eine vierzig Stunden Woche als
Höchstarbeitszeit, einen Mindeststeuersatz. "Fast jedes Land hat einen Mindestlohn, oder
zumindest eine tarifliche Bindung", betont Weiler. Momentan sind es 20 der 27 EU-
Staaten, die einen gesetzlich festgeschrieben Mindestlohn haben.
"Flüchtlinge haben keine große Lobby", erklärt Drohsel. Deshalb fordert der
parteipolitische Nachwuchs auch ein einheitliches Asylrecht und eine menschenwürdige
Behandlung von Flüchtlingen. Es sei einfach untragbar, dass regelmäßig Menschen
umkommen, verleiht sie der Forderung Nachdruck. Außerdem müsse eine nachhaltige
Politik der Entmilitarisierung und Abrüstung betrieben werden. Keine Atomwaffen,
Abrüstung und Kontrolle von Rüstungsgütern - eine Politik der Konfliktprävention, das
sind die zentralen politischen Ziele der SPD Jugendorganisation. "Europa ist eine super-
faszinierende wichtige Sache", betont Weiler abschließend. Bleibt zu hoffen, dass die
Bürgerinnen und Bürger das am 7. Juni genauso sehen und ihr Kreuz an der richtigen
Stelle machen.