Eigentlich hatte man in der SPD eher mit einem Kopf an Kopf-Rennen zwischen dem ehemaligen Sprecher des Bundesfinanzministers Steinbrück, Albig, und seinem Hauptkontrahenten, dem Partei- und Fraktions-Chef Ralf Stegner gerechnet. Stegner, seit seinem Rücktritt Anfang 2008 als Innenminister der damaligen Großen Koalition im Land zu bundesweiter Bekanntheit gelangt, erwarb sich durch seinen streitbaren, ruppigen Stil in der politischen Auseinandersetzung damals den Spitznamen "Roter Rambo" und gab so das ideale Feindbild für CDU und FDP in der Landespolitik ab.
Verbindlicher Politikstil
Dass er im Mitgliederentscheid, der von ihm selbst vorgeschlagen worden war, mit 32,1 Prozent derart deutlich hinter seinem im Land doch noch wenig bekannten Konkurrenten landete, hat ihn "überrascht und enttäuscht". Das Votum für Albig ist auch eine Entscheidung für dessen offenen, verbindlichen und pragmatischen Politikstil gegenüber dem polarisierenden Stegner. Das mag manchem auch ein wenig ungerecht erscheinen gegenüber dem promovierten Politologen und Harvard-Absolventen Stegner, der in kleinerer Runde durchaus locker, charmant und selbstironisch auftreten kann, das aber nur selten nach außen vermitteln konnte.
So entschied sich die Partei unerwartet klar für Torsten Albig, der schon bei seiner überraschenden Wahl zum Kieler Oberbürgermeister 2009 gezeigt hat, wie man erfolgreich in den Gefilden einer bürgerlichen Wählerschaft wildert. Damals gelang es ihm auf Anhieb, die CDU-Amtsinhaberin Angelika Volquartz zu besiegen.
Mann der Mitte
So dürfte Albig, der sich explizit als Mann der "Mitte der Gesellschaft" versteht, das Wahlergebnis von Olaf Scholz in Hamburg auch als Bestätigung seiner Politik verstehen. Links oder Rechts, diese Positionierungsfrage, die bei Schleswig-Holsteins Sozialdemokraten seit den Tagen des legendären Landesvorsitzenden Jochen Steffen, des "roten Jochen", eine manchmal sehr dominierende Rolle gespielt habe, das sei für ihn "eine Debatte der Vergangenheit", erklärte Albig nach der Bekanntgabe seines Sieges. Damit könnte er zum Angstgegner der Union werden. Zumal er sich noch am Sonntag auf eine gemeinsame Führungsarbeit mit Stegner geeinigt hat. Stegner will beim Parteitag im April wieder als Landesvorsitzender kandidieren, und Albig versicherte, ihn dabei zu unterstützen. Wenn es gelingt, die Geschlossenheit der Partei im Land dauerhaft zu sichern, dürften ihre Chancen bei der Landtagswahl weiter steigen.
Demokratie macht Spaß
Einen Riesenerfolg konnte die Schleswig-Holsteiner SPD aber bereits jetzt einfahren: Fast 70 Prozent der Mitglieder gaben ihre Stimme ab. Das sei "ein überzeugender Beweis dafür, dass die Sozialdemokraten in diesem Land Spaß daran haben, aktiv Demokratie zu gestalten", so der frisch nominierte Spitzenkandidat.
ist Mitarbeiter der vorwärts-Redaktion, Geschäftsführer a. D. des vorwärts-Verlags und ehemaliger Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg.