Inland

„Persönlich für europäische Anliegen werben“

von ohne Autor · 15. Dezember 2010
placeholder

vorwärts.de: Das Europäische Parlament beschließt heute das Verfahren für eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) beschlossen. Wie sieht es aus?

Matthias Groote: Mit einer Million Unterschriften können Europas Bürgerinnen und Bürger künftig die Europäische Kommission auffordern, zu wichtigen europapolitischen Fragen tätig zu werden. Das Europäische Parlament konnte sich in wesentlichen Punkten durchsetzen und die Hürden deutlich senken. So müssen die Unterschriften aus einem Viertel der Mitgliedstaaten kommen, die Kommission hatte ursprünglich ein Drittel gefordert. Außerdem wird unmittelbar bei der Registrierung geprüft, ob eine Initiative zulässig ist und die Organisatoren mit der Sammlung von Stimmen beginnen können. Damit konnten wir verhindern, dass die Bürger umsonst Unterschriften sammeln, denn die Kommission hatte vorgeschlagen, die Zulässigkeit einer Initiative erst zu prüfen, wenn schon 300 000 Unterschriften vorliegen.

Schließlich bekommen die Organisatoren das Recht im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Europäischen Parlament ihr Anliegen zu erläutern, sobald sie die Anzahl von einer Million Unterschriften erreichen. Das gibt den Initiatoren zum einen die nötige Anerkennung für ihre Leistung, zum anderen haben sie so die Gelegenheit, persönlich für ihr europäisches Anliegen zu werben.

Selbst wenn ein Bürgerbegehren mehr als eine Million Unterstützer hat, ist die Europäische Kommission auch künftig nicht verpflichtet, ein Gesetz vorzuschlagen. Wie wirksam ist das neue Instrument da überhaupt?

Es ist richtig, dass die Kommission nicht daran gebunden ist, tatsächlich einen Gesetzesvorschlag vorzulegen wenn eine EBI erfolgreich ist und eine Million Unterschriften vorliegen. Ich erhoffe mir, dass durch das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative in Zukunft zahlreiche grenzüberschreitende Debatten über wichtige europäische Themen angestoßen werden. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es gelingen kann, genügend öffentlichen Druck aufzubauen, um Themen dennoch auf die Agenda zu setzen. Ich würde es außerdem begrüßen, wenn sich das Europäische Parlament gegebenenfalls der Themen annimmt, bei denen die Kommission entscheidet, nicht tätig zu werden. Diese sollte das Parlament aufgreifen und von seinem neuen Initiativrecht Gebrauch machen, damit wichtige Anliegen nicht einfach unter den Tisch fallen.

Die EU-Kommission wurde auch verpflichtet, binnen neun Monaten eine kostenlose Software zu entwickeln, mit der online Unterschriften gesammelt werden können. Welche Rolle spielt das Internet bei der Europäischen Bürgerinitiative?

Es ist enorm wichtig, dass sich alle Bürger einfach und unbürokratisch an einer EBI beteiligen können. Dafür ist ein sicherer Online-Zugang unerlässlich. So können wir gerade auch junge Menschen für europäische Politik begeistern und dafür ich für Ihre Anliegen einzusetzen. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass es in Zukunft neben der klassischen Papierform auch die Online-Sammlung möglich ist. Dabei wird selbstverständlich darauf geachtet, dass alle Datenschutzbestimmungen eingehalten werden und die Privatsphäre der Bürger geschützt wird.

Wann können wir mit der ersten Europäischen Bürgerinitiative rechnen?

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments hätten sich gewünscht, dass die Bürger möglichst bald mit den ersten Initiativen beginnen können. Deshalb haben wir uns in unserem Bericht für eine kurze Frist zur Umsetzung ausgesprochen. Leider mussten wir in diesem Punkt gegenüber dem Rat Zugeständnisse machen. Die Mitgliedstaaten haben darauf bestanden, dass sie zwölf Monate Zeit bekommen, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Somit können Bürger ab 2012 mit dem Sammeln von Unterschriften beginnen und so die europäische Öffentlichkeit von ihrem Anliegen überzeugen.

Interview: Kai Doering

Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) wurde im Vertrag von Lissabon als neues, direktdemokratisches Instrument geschaffen. Die Initiatoren einer EBI haben ein Jahr Zeit, genügend Unterschriften zu sammeln. Danach muss die EU-Kommission binnen vier Monaten die Initiative prüfen und das weitere Vorgehen beschließen.

Matthias Groote ist seit 2005 Europaabgeordneter und ständiges Mitglied im Ausschuss für Verfassungsfragen sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie und im Ausschuss für Fischereipolitik.

Foto: www.matthias-groote.eu

0 Kommentare
Noch keine Kommentare