Paritätischer Wohlfahrtsverband fordert Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik
Thomas Koe hler/photothek.net
Während die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland steigt, nehmen gleichzeitig soziale Ungleichheiten zu. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert deshalb umfassende Reformen. Am Donnerstag hat er einen 15-Punkte-Plan für die künftige Bundesregierung vorgestellt.
Totalreform von Hartz IV
Darin fordert der Verband eine generelle Umstrukturierung der Hartz IV Regelungen. „Hartz IV wurde uns als Sprungbrett verkauft. Im besten Fall ist es aber eine Hüpfburg und eigentlich eher eine Sackgasse“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider.
So hätten Sanktionen heute keine Berechtigungen mehr. Zudem empfiehlt der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. Diese müssten an die Lebensrealität der Menschen angepasst werden und nicht allein aus statistischen Berechnungsgrundlagen ergehen. Gleichzeitig sollten bestimmte Zumutbarkeitsregelungen wieder eingeführt werden. So sollten sich Jobcenter bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen wieder mehr an früheren Qualifikationen und Einkommen der Arbeitslosen orientieren.
Abbau prekärer Arbeitsbedingungen
Eine weitere Forderung ist die Beseitigung prekärer Arbeitsverhältnisse. Dafür müsse Leiharbeit stärker reguliert werden. Es müsse gewährleistet werden, dass Leiharbeiter für den Arbeitgeber wieder teurer würden als Festangestellte, sagte Schneider. „Der Grundsatz des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit hat bei der Leiharbeit vom ersten Tag an zu gelten.“
Zudem sollte die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsplatzes abgeschafft werden. Vor allem junge Menschen würden durch befristete Arbeitsverhältnisse in ihrer Lebens- und Familienplanung eingeschränkt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband empfiehlt außerdem, den Mindestlohn von 8,84 Euro auf 11,68 Euro zu erhöhen, um Altersarmut vorzubeugen.
Stärkung der Arbeitslosenversicherung
„Die Arbeitslosenversicherung muss wieder gestärkt und in den Stand versetzt werden, um mit dem Arbeitslosengeld ihrer sozialen Schutzfunktion nachzukommen“, sagte Schneider. Sowohl die Bezugsdauer, als auch die Rahmenfrist für den Erhalt des Arbeitslosengeldes I sollten auf 36 Monate verlängert werden, um das Abrutschen in Hartz IV zu verhindern. Überdies forderte Schneider eine Einführung eines Mindestarbeitslosengeldes, dessen Betrag über dem Hartz-IV-Satz liegt.
Qualifizierung, aktive Arbeitsförderung und sozialer Arbeitsmarkt
Um eine Re-Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten, bedürfe es aktiver Arbeitsförderung, so Schneider. Neben einer Erhöhung staatlicher Mittel für berufliche Weiterbildung und Qualifikationen empfiehlt der Paritätische Wohlfahrtsverband den Aufbau eines sozialen, öffentlich geförderten Arbeitsmarktes. Auf diesem fänden all jene eine Anstellung, die auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance hätten.
Die Kosten für die Umsetzung der Pläne beziffert der Paritätische Wohlfahrtsverband selbst auf acht bis neun Milliarden Euro. Diese Ausgaben seien unumgänglich, so Schneider. „Die Parteien sind sich in einem Punkt einig: Alle sagen, es muss letztlich darum gehen, die Menschen in sinnvolle Beschäftigung zu bringen.“ Wer das wolle, komme sowohl um eine bessere Arbeitsförderung als auch um einen sozialen Arbeitsmarkt nicht herum. Durch den gesteigerten Konsum und die Steuern der durch diese Maßnahmen geschaffenen Erwerbestätigen, fließe aber genug Geld zurück in die Staatskasse.
war 2017 Praktikantin in der Redaktion des vorwärts. Sie studiert Geschichte und Politikwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster.