Inland

Oppermanns Libyen-Plan sorgt für Kontroverse in der SPD

Mit einem Fünf-Punkte-Plan will SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die deutsche Migrationspolitik erneuern. Seine Vorschläge gefallen nicht allen. Besonders ein Punkt erntet heftige Kritik – auch in der SPD.
von Paul Starzmann · 6. Februar 2017
placeholder

Das Mittelmeer ist ein Massengrab. Allein im Jahr 2016 sind nach UN-Angaben über 5.000 Menschen dort ertrunken. Sie unternahmen den Versuch, von Nordafrika per Schiff nach Europa zu gelangen und starben auf hoher See – weil ihr Boot überfüllt, der Wellengang zu hoch oder das Wasser zu kalt war.

Oppermann: Schleuserbanden stoppen!

Damit das Sterben auf dem Meer aufhört, will Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, die deutsche Migrationspolitik reformieren. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS) stellte er am Wochenende dafür einen Fünf-Punkte-Plan vor. Darin setzt Oppermann auf eine stärkere Zusammenarbeit mit sogenannten Transitstaaten wie dem Bürgerkriegsland Libyen: „Um die Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, indem die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden.“

Dieser Satz löste umgehend eine Welle der Ablehnung aus – nicht nur, aber auch in den Reihen der Sozialdemokraten. Noch-SPD-Chef Sigmar Gabriel widersprach seinem Fraktionsvorsitzenden: „Libyen ist nach unseren Überzeugungen ein sehr unsicherer Platz.“ Kein guter Ort für Flüchtlinge also. Gabriel scheint Oppermanns Plänen wenig abgewinnen zu können.

„Unpraktikabel und ohne Rechtsbasis“

Genauso Aziz Bozkurt, Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD: Er hält die Idee von Auffanglagern in den Ländern Nordafrikas für „völkerrechtlich bedenklich“. Es sei „mehr als fraglich, ob da alles rechtsstaatlich ablaufen kann“. Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, hält nicht viel von dem Vorhaben: „Unpraktikabel und ohne Rechtsbasis“, schrieb er am Sonntag auf Twitter.

Allerdings steht mehr in dem Fünf-Punkte-Plan als es die meisten Medienberichte über Oppermanns Gastbeitrag in der „FAS“ vermitteln. So bescheinigte Schwabe Oppermanns Plan, dass darin fast alles richtig sei. Denn: Neben der umstrittenen Forderung zu den nordafrikanischen Transitländern enthält das Papier eine ganz Reihe an Vorschlägen – und diese sind in der SPD weit weniger kontrovers.

Fluchtursachen bekämpfen

So fordert Oppermann an erster Stelle eine Aufstockung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, um mit Entwicklungshilfe „Fluchtursachen in den Heimatländern zu bekämpfen“. Für die Sozialdemokraten sei eines klar, sagte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel dazu am Montag in Berlin: „Wir bekämpfen Fluchtursachen und nicht Flüchtlinge.“ Dazu gehöre auch, „darüber nachzudenken, wie wir es schaffen, in den Ländern auch Nordafrikas Verhältnisse zu schaffen, in denen Menschen nicht absolut menschenunwürdig unterkommen“. In diesem Sinne sei Oppermanns Fünf-Punkte-Plan zu verstehen.

Oppermanns Papier enthält auch eine Forderung nach einem Einwanderungsgesetz und spricht sich klar gegen eine Abschottung Deutschlands aus. Ab 2020 „fehlen innerhalb weniger Jahre bis zu sechs Millionen Fachkräfte“, heißt es in dem Artikel. Deshalb müsse es neben einem starken Asylrecht weitere legale Zuwanderungswege geben – für Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen wollen. Die SPD-Bundestagsfraktion habe hier ein „recht gutes Konzept“, findet Aziz Bozkurt. Er wünscht sich nur, die „humanitäre Komponente“ zu stärken – und bei Migrationsfragen nicht immer „nur nach Nützlichkeit zu gehen“.

EU setzt bereits auf Libyen

Die heftige Kritik an Oppermanns Forderung nach einer Rückführung von Bootsflüchtlingen in Länder wie Libyen, zeigt, wie heiß das Thema nach wie vor diskutiert wird – auch innerhalb der SPD.

Zumindest beim EU-Gipfel in Malta wurden am Wochenende hingegen bereits Tatsachen geschaffen. Die EU-Regierungschefs wollen stärker mit Libyen kooperieren, Migranten aus Afrika bereits in dem Land festsetzen. Wie genau das funktionieren soll, in einem Land, in dem seit 2014 ein Bürgerkrieg tobt, müssen die Staats- und Regierungschefs der EU aber wohl noch klären.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare