Inland

Noch viel zu tun

von Romani Rose · 9. Dezember 2008
placeholder

Es war für uns ein historischer Moment, als die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1997 durch Gesetz die deutschen Sinti und Roma - gleichberechtigt neben der dänischen und friesischen Minderheit und dem Volk der Sorben - als nationale Minderheit anerkannte. Mit dieser Anerkennung nach dem Europäischen Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und der Unterzeichnung der Minderheitensprachen-Charta verpflichtete sich Deutschland erstmals völkerrechtlich verbindlich zum Schutz und zur Förderung unserer Minderheit. Für dieses Ziel der politischen Anerkennung hat sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma seit der Gründung im Jahre 1982 eingesetzt. Man kann sicher festhalten, dass die Erfolge dieser Bürgerrechtsarbeit durch unsere Selbstorganisation Auswirkungen hatten auf die gesellschaftliche und politische Stellung der 70 000 deutschen Sinti und Roma.

Die deutschen Sinti und Roma sind in Deutschland seit 600 Jahren beheimatet und Bürger dieses Staates. Trotz aller positiven Entwicklungen in den letzten Jahren ist es aber immer noch keine Selbstverständlichkeit, dass Sinti und Roma als gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft respektiert werden. Ebenso wenig gehört es schon zum allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein, dass neben den ermordeten 6 Millionen Juden auch 500 000 Sinti und Roma Opfer des Holocaust durch die Nationalsozialisten wurden.

Banger Blick nach rechts

Vielerorts prägen noch die althergebrachten - romantisierenden oder ausgrenzenden - Klischees die Vorstellung von der Minderheit, obwohl Sinti und Roma genauso integriert in der Gesellschaft leben und bürgerlichen Berufen nachgehen wie andere Bürger. Einzelne Unverbesserliche bezeichnen uns schon wieder mit dem diskriminierenden Begriff "Zigeuner" (der niemals unsere Eigenbezeichnung war), weil sie gern einmal gegen die "political correctness" verstoßen wollen.

Größere Sorge bereitet uns allerdings das zunehmend aggressive Vorgehen der Rechtsextremisten und deren rassistische Propaganda bis hin zu Drohungen mit Gewalt gegen Sinti und Roma ebenso wie gegen Juden - vor allem im Internet. Die großen Internetanbieter wie "google" und "youtube" haben bisher viel zu wenig dagegen unternommen, obwohl sie die technischen Möglichkeiten und rechtlichen Verpflichtungen dazu hätten. Das Erstarken der Neonazis versetzt vor allem unsere älteren Menschen, die den Holocaust überlebten, in Angst.

Negative Darstellung in den Medien

Denn die Situation in den neuen Beitrittsländern der Europäischen Union ist schon eskaliert, ohne dass die staatlichen Stellen die Roma-Minderheiten schützen: Erschreckend sind hier die Berichte über organisierte gewaltsame Überfälle von Neonazi-Banden - wie Mitte des Jahres in Tschechien, Slowenien und Ungarn - und rassistische Morde an Roma-Angehörigen - wie in Rumänien und Bulgarien.

Leider ist auch das Abbild der Minderheit in den deutschen Medien vielfach von negativen Darstellungen bestimmt. Das hat zuletzt die komplizierte Auseinandersetzung um den ARD-Tatort "Brandmal" gezeigt. Dessen Drehbuch enthielt von Anfang an schlimme kriminalisierende Stereotype, und trotz umfangreicher nachträglicher Kürzungen hatte der gezeigte Film seine stigmatisierende Wirkung nicht verloren.

Bürgerrechtspreis für beispielhaftes Engagement

Um für ein Umdenken zu werben, haben wir zusammen mit Roma-Organisationen aus anderen Staaten West- und Osteuropas und in Kooperation mit der Manfred-Lautenschläger-Stiftung in Heidelberg sowie Vertretern des Europarates den "Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma" ins Leben gerufen, der am 18. Dezember 2008 im Auswärtigen Amt an den ersten Preisträger, Prof. Władisław Bartoszewski, feierlich verliehen wird. Mit diesem Preis soll ein beispielhaftes Engagement für die Wahrung und Durchsetzung der Bürgerrechte und der Chancengleichheit für die Angehörigen der Roma- und Sinti-Minderheiten in Europa geehrt werden.

Hintergrund des Europäischen Bürgerrechtspreises der Sinti und Roma ist die immer noch besorgniserregende Menschenrechtssituation für die Minderheiten - vor allem in den neuen Beitrittsländern der Europäischen Union - aber auch in Westeuropa. Roma und Sinti leben nicht nur Deutschland, sondern auch in den anderen Staaten Europas seit vielen Jahrhunderten als Bürger ihrer jeweiligen Heimatländer und bilden mit insgesamt 10 bis 12 Millionen Angehörigen die größte Minderheitengruppe Europas.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare