Inland

„Niemand ist in der Lage zu koordinieren“

von ohne Autor · 21. September 2014

ThyssenKrupp-Chef Hiesinger übt heftige Kritik an der Energiepolitik der schwarzgelben Bundesregierung: „Ich vermisse Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit.“ Eine verbale Ohrfeige für Angela Merkel. 

Er stehe zur Energiewende und zum Ausstieg aus der Atomenergie, machte der Vorstandsvorsitzende der ThyssenKrupp AG gleich zu Beginn seines Vortrags beim Wirtschaftsempfang der SPD-Bundestagsfraktion klar: „Die Messe ist gelesen.“ Aber wer den Erfolg der Energiewende wolle, müsse sie organisieren. Dabei habe die Bundesregierung kläglich versagt: „Niemand ist in der Lage zu koordinieren.“ Die Energiepolitik bleibe im „Kompetenzgerangel“ diverser Ministerien auf der Strecke. Das gefährde die Grundlage der deutschen Industrie.

Hiesingers fulminante Rede kam einer Generalabrechnung mit der Regierungsmethode Merkel gleich. Offensichtlich suchte der an sich auf Ausgleich bedachte Wirtschaftsführer an diesem Abend die maximale Provokation. Er hielt seine Rede im Otto-Wels-Saal des Reichstages in Gegenwart von Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Hubertus Heil, zahlreicher Bundestagsabgeordneter und einiger hundert Repräsentanten der deutschen Wirtschaft; Mittelständler, Industriebosse, Verbandsvertreter. Niemand pfiff. Im Gegenteil: der Applaus war kraftvoll.

So konnte der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion Garrelt Duin die Versammlung selbstbewusst mit den Worten schließen - unter Anspielung auf die von Hiesinger geforderte Planungssicherheit -: „Planen Sie sicher ein, dass die SPD bald wieder regieren wird. Kein Widerspruch.

Gleich nach dem erneuten Beschluss, aus der Atomenergie auszusteigen, hätte die Bundesregierung entscheiden müssen, so Hiesinger: „Wo sollen 2000 Windräder errichtet werden“. Stattdessen erlebe man nun ein Gerangel um Genehmigungsverfahren - und vor allem sei der notwendige Ausbau der Übertragungsnetze immer noch nicht ansatzweise in Gang gekommen.

Das gefährde, machte Hiesinger eindringlich klar, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und damit zahlreiche Arbeitsplätze. Sein - übrigens 200 Jahre altes - Unternehmen müsse schon im nächsten Jahr eine Schmelzstufe in Krefeld schließen. Dieser Teil der Stahlproduktion sei in Deutschland schlicht nicht mehr unter wettbewerbsfähigen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Ihn schmerze das sehr.

Die noch existente industrielle Basis habe Deutschland geholfen, besser als andere Länder durch die Finanzmarktkrise zu kommen. Doch diese Basis sei bedroht, wenn es keine Planungssicherheit für den Einsatz sauberer, sicherer und bezahlbarer Energie gebe. 

Sobald die industrielle Wertschöpfungskette unterbrochen sei, lasse die Innovationskraft nach. Was sich vielleicht auch so formulieren ließe: Vielfältig geforderten Ingenieuren fällt mehr ein als Arbeitskräften, die immer das gleiche tun.

Hiesinger bekannte sich ausdrücklich zur Mitbestimmung und zur Erhöhung des Anteils weiblicher Fach- und Führungskräfte. „Der wichtigste Erfolgsfaktor sind gut ausgebildete Menschen.“ Damit unterstrich er weitere zentrale Forderungen des energiepolischen Konzepts der SPD-Fraktion. Fast wortgleich mit Garrelt Duin warb er für Initiativen, das Interesse von Kindern und Jugendlichen an Technik neu zu beleben. Sonst drohe bald ein ernster Fachkräftemangel.

Es sei im übrigen ein Fehler, auch darin waren sich Hiesinger und Duin einig, Innovationen nur von neuen Unternehmen – „start-ups“ – zu erwarten. Hiesinger: „Hippe Lösungen haben ihren Ursprung oft in traditionellen Industrien.“

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