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Niederlage für die CSU: Integrationsgesetz ist verfassungswidrig

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) hat der CSU am Dienstag eine Niederlage verpasst. Auf Klage von SPD und Grünen hat er das umstrittene bayerische Integrationsgesetz entschärft und teilweise sogar für verfassungswidrig erklärt.
von Christian Rath · 3. Dezember 2019
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Das Gesetz war im Dezember 2016 beschlossen worden, als die CSU in Bayern noch mit absoluter Mehrheit regierte. Es definierte eine „Leitkultur“, die in Bayern „täglich gelebt“ werde und die „Grundordnung der Gesellschaft“ bilde. Zu dieser „identitätsbildenden“ Leitkultur gehören vernünftige Dinge wie der Schutz der Grundrechte, das Bekenntnis zur Toleranz als Voraussetzung für eine „offene und plurale Gesellschaft“ und die Anerkennung, dass Bayern zur „neuen Heimat“ für Einwanderer geworden ist.

Von Sitten und Traditionen geprägt

Manches ist auch etwas schräg, etwa der Hinweis, dass Bayern geformt sei „von gewachsenem Brauchtum, von Sitten und Traditionen“. Die „Pflicht zur Loyalität gegenüber Volk und Verfassung“ erinnert eher an die gesteigerten Treuepflichten von Beamten als an den Status freier Bürger.

Mit dem Integrationsgesetz wurden nun Migranten „auf die unabdingbare Achtung der Leitkultur“ verpflichtet. Hierbei sollten sie gefördert werden (insbesondere durch Sprachkurse und ähnliches), sie werden aber auch mit Sanktionen bedroht. Das reichte bis zu kleinen Bosheiten wie der Bestimmung, dass Bayern nicht für die Fehler von Dolmetschern haftet, wenn die Migranten nicht schnell genug Deutsch gelernt haben.

Medien- und Meinungsfreiheit verletzt

Der BayVerfGH beanstandete nun drei Regelungen als Verstoß gegen die Bayerische Landesverfassung. So verletze es die Medienfreiheit, wenn der Bayerische Rundfunk zur Vermittlung der Leitkultur verpflichtet werde.

Zweitens verletze es die Meinungsfreiheit, wenn Migranten, deren Haltung irgendwie nicht der Leitkultur entspricht, von den Sicherheitsbehörden zu Kursen über die freiheitlich demokratische Grundordnung verpflichtet werden können. Die Sanktionierung von Denken und Verhalten im Vorfeld konkreter Rechtsbrüche sei unverhältnismäßig, so die Richter.

Und drittens wurde eine Bußgeld-Regelung beanstandet. Diese sollte Migranten treffen, die dazu aufrufen, einer anderen Rechtsordnung zu folgen. Das Gericht hatte zwar keine Einwände gegen ein derartiges Verbot, da aber das Staatsschutz-Strafrecht auf Bundesebene abschließend geregelt ist, fehle Bayern die Kompetenz für eine derartige Bußgeld-Regelung.  

Gesetz ist „teilweise verfassungswidrig“

Die drei Kritikpunkte des BayVerfGH betreffen also nicht gerade zentrale Regelungen des Integrationsgesetzes. Doch sie erlauben es der Opposition, das Gesetz nun als „teilweise verfassungswidrig“ zu bezeichnen. Die SPD bekommt auch die Hälfte ihrer Kosten ersetzt.

Wichtiger ist allerdings, dass der BayVerfGH die zentralen Normen des Integrationsgesetzes durch Auslegung stark entschärft hat. Die in der Präambel definierte bayerische „Leitkultur“ sei nur ein unverbindlicher Vorspann zum Gesetz und führe nicht zu unmittelbaren Pflichten. Auch die im Gesetz erwähnte „Integrationspflicht“ dürfe nicht als Pflicht zur Assimilation missverstanden werden. Wenn Kindern in Kitas „zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur vermittelt“ werden soll, sei damit nicht die christliche Religion gemeint, sondern die Werte des Humanismus, der Aufklärung und der religiösen Toleranz.

Niederlage für die CSU

Dass der BayVerfGH, der sonst meist regierungskonform entscheidet, der CSU diesmal scheinbar eine schwere Niederlage zufügte, könnte auch mit der veränderten Atmosphäre in Bayern zu tun haben. 2016 war die CSU noch darauf fixiert, die Themen der AfD zu besetzen. Im Ergebnis war diese Strategie aber nicht erfolgreich, sie führte nur zu Streit mit der Schwesterpartei CDU und letztlich zur Wahlniederlage der CSU bei der Landtagswahl im Herbst 2018.

Seitdem regiert Ministerpräsident Markus Söder mit den Freien Wählern und hat sich nicht zuletzt als Bienenfreund und Klimaschützer profiliert. Eine Entschärfung des Integrationsgesetzes durch den BayVerfGH stört da nicht weiter. Die CSU nahm das Urteil relativ ungerührt auf.
 

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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