Natascha Kohnen: „Die CSU ist in nackter Panik“
Natascha Kohnen, wie bewerten Sie die Einigung zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer im Asylstreit?
Für mich ist das ein leerer Beutel mit einer schmutzigen Aufschrift. Ich betrachte das als einen Vorschlag der Union, bei dem quasi alle Fragen offen bleiben und die Beteiligten erstmal für Klarheit sorgen müssen. Da wird doch eine Scheinlösung für ein Scheinproblem konstruiert. Was hat sich denn eigentlich an der Lage verändert, dass man jetzt reagieren müsste? Die Asyl-Zahlen sinken.
Das Agieren der CSU in den letzten Wochen gegenüber Schwesterpartei und Kanzlerin war beispiellos. Inwieweit ist die CSU aus Ihrer Sicht überhaupt noch koalitions- und regierungsfähig?
Man kann sich ja leider nicht aussuchen, wen die so in die Regierung schicken. Aber solange deren Leitspruch lautet „Erst mein Ego, dann das Land“, ist die CSU nur eingeschränkt regierungsfähig. Sie müssen schnellstmöglich zurück zur Sacharbeit. Seehofer muss sich zum Beispiel endlich um die Offensive für sozialen Wohnungsbau kümmern, die wir durchgesetzt haben.
Zahlreiche Beobachter sagen, das Verhalten der CSU erkläre sich aus der Angst vor dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im Oktober. Sehen Sie das auch so?
Die CSU ist in nackter Panik. In der Sprache ist Herr Söder ja kaum noch zu unterscheiden von den Rechtspopulisten. Wörter wie „Asyltourismus“ sind nicht nur widerlich – das wird auch nicht der CSU helfen, sondern der AfD. Deswegen applaudieren die ja auch.
Welche Folgen hat das ganze Spektakel der letzten Wochen denn für die bayerische Landtagswahl?
Der CSU geht es nur um Egoismus und unionsinterne Machtkämpfe. Dafür die Stabilität der Bundesregierung und Europas aufs Spiel zu setzen, schadet der Demokratie und dem Ansehen von Politik insgesamt massiv. Und es wird ja bereits sichtbar, dass man der CSU das auch übel nimmt.
Bisher scheint die SPD in den Umfragen – im Bund wie in Bayern – vom Asylstreit der Unionsparteien nicht zu profitieren. Woran liegt das?
Zum einen hat die gesamte SPD auf Bundesebene schwere Monate hinter sich und ist da auch noch nicht raus. Zum anderen müssen wir auch in Bayern unsere Themen stärker nach vorne bringen. Es ist für die SPD sehr wichtig, jetzt über die Themen zu sprechen, die sonst in dem CSU-Irrsinn untergehen: bezahlbarer Wohnraum, gute Kitas und Schulen, Unterstützung und Entlastung für Familien.
Könnte die SPD mit ihrem Fünf-Punkte-Plan zur Asylpolitik wieder in die Offensive kommen?
Ich finde diesen Plan sehr gut. Er ist für die SPD die Grundlage für Gespräche mit der Union. Unsere Vorstellungen liegen damit auf dem Tisch: Keine nationalen Alleingänge, Kooperation in Europa, klare Regeln für Asyl, ein Einwanderungsgesetz, legale Wege nach Europa, Hilfen für Herkunftsländer. Geschlossene Lager lehnen wir ab.