Nahles zu Asylkompromiss: „Ganze Reihe von ungeklärten Fragen“
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Es ist kurz nach Mitternacht als sich SPD-Parteichefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz vor dem Bundeskanzleramt der Presse stellen. Beide hatten zuvor am Koalitionsausschuss teilgenommen, bestehend aus den Spitzen von CDU, CSU und SPD. Die Sozialdemokraten wirken erleichtert. Es sei gut, dass sich die Union verständigt habe, sagt die Parteichefin. „Wir finden das deswegen gut, weil wir jetzt wieder auf der Ebene der Sacharbeit sind. Das haben wir in den letzten Wochen schmerzlich vermisst.“ Scholz ergänzt: „Wir sind weg von der Psychologie und wieder bei der Sache.“
Zustimmung offen
In den vergangenen Wochen hatten die Unionsparteien einen erbitterten Streit um die Asylpolitik geführt. Montagnacht legten CDU und CSU den Streit bei. Ihre Vereinbarung sieht vor, Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze einzurichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden, heißt es in der Übereinkunft. „Wir haben eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration in der Zukunft an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern“, sagte Seehofer zur Einigung von CDU und CSU.
Dem Plan muss der Koalitionspartner SPD allerdings erst noch zustimmen. „Wir haben eine ganze Reihe von ungeklärten Fragen“, sagte Andrea Nahles am Dienstag nach der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Um den Vorschlag umzusetzen, bedürfe es eines Einvernehmens mit Österreich oder Italien. „Beides ist im Moment nicht hergestellt“, sagte sie. „Insoweit bezeichne ich das erst mal als ungedeckten Scheck.“
Begriff abgelehnt
Die Sozialdemokraten fordern eine andere Bezeichnung für die von der Union vorgesehenen Transitzentren für Flüchtlinge. Dabei handele es sich nicht um denselben Sachverhalt und nicht um dieselbe Gruppe wie auf der Höhe des Flüchtlingszuzugs vor drei Jahren, so Nahles. „Deshalb lehnen wir den Begriff auch ab.“
Ebenfalls äußerte sich Parteivize Ralf Stegner: „Die Kriterien für uns sind, dass wir Lösungen finden, die europäische Lösungen sind, die keine nationalen Alleingänge sind, die Menschen nicht schikanieren.“ Im Deutschlandfunk sagte er, dass es auf „vernünftige rechtsstaatliche Verfahren“ ankomme.
Details gefordert
Auf Twitter schrieb Natascha Kohnen, stellvertretende Parteichefin und bayerische Spitzenkandidatin: „Wir prüfen jetzt, was der Unions-'Kompromiss' praktisch bedeutet. Klar ist: Wir wollen offene Binnengrenzen, keine nationalen Alleingänge und keine geschlossenen Lager.“ Die CSU habe immer noch nicht den Handlungsbedarf erklärt. Die Zahl der Geflüchteten sinke.
Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sagte gegenüber vorwaerts.de: „Vom Bundesinnenminister erwarten wir jetzt, dass er diese Pläne jetzt im Detail konkretisiert und zügig ein entsprechendes Konzept vorlegt. Der Bundesinnenminister muss jetzt endlich Verantwortung übernehmen statt nur nebensächliche Streitigkeiten zu führen.“ Dazu gehöre, dass er endlich die Zuständigkeit für die Rückführung ausreisepflichtiger Gefährder übernimmt. Dafür müsse nicht einmal ein Gesetz geändert werden. Bezüglich der geplanten Transitzentren führte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland aus, dass er „mit Expresszentren“ in kleinem Umfang, in denen auf Basis bilateraler Verträge die Asyllage geprüft und dann staatlich gehandelt werde, keine Probleme habe.
Fünf-Punkte-Plan vorgestellt
Erst am Montag hatte der SPD-Parteivorstand einen eigenen Fünf-Punkte-Plan für die Migrationspolitik vorgestellt. In dem Papier mit dem Titel „Miteinander statt Gegeneinander“ heißt es: „Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen wir für eine gesamteuropäische Lösung, für ein gemeinsames europäisches Asylsystem und solidarisch geteilte Verantwortung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen.“