Wer sind die wirtschaftlichen Akteure? Wohin fließen die Gewinne? Wie viele Unternehmen werden direkt oder indirekt von Konzernen, vom Staat oder durch ausländische Unternehmen kontrolliert?
Wie verteilen sie sich auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche, Regionen und Länder? Wie und durch wen wird letztlich die Kontrolle ausgeübt? Was bleibt dem selbstständigen Mittelstand?
Diese Fragen anhand aktueller Informationen zu beantworten, ist für eine rationale Wirtschaftspolitik unerlässlich. Das zeigen nicht erst die Folgen der gegenwärtigen weltweiten Krise. Doch
stammen die letzten umfassenden Angaben der Monopolkommission zur Verflechtung und Konzentration der deutschen Unternehmen aus dem Jahr 2003. Damals gab es rund 3,2 Millionen Unternehmen. Davon
gehörten über eine halbe Million einem Konzern oder sonstigen kontrollierten Gruppe an. Für ca. 40 000 deutsche Unternehmen saß deren Zentrale im Ausland, für ca. 10.000 Unternehmen war es der
Staat in Bund, Ländern und Gemeinden. In diesem Zusammenhang: Die Mehrzahl der Unternehmen in den neuen Bundesländern wurde von Konzernen aus den alten Ländern kontrolliert.
Die
Monopolkommission ist als unabhängiger Sachverständigenrat gesetzlich verpflichtet, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat alle zwei
Jahre über die Entwicklung der Unternehmenskonzentration zu informieren. Der letzte Bericht im XVII. Hauptgutachten stammt aus dem Jahr 2008 mit Zahlen für 2005. Jedoch hat die Monopolkommission
gegenüber ihrem früheren Bericht für 2003 die Angaben zu den Verflechtungen der deutschen Wirtschaft auf rund 20 Prozent reduziert. Die fehlenden 80 Prozent hält die Monopolkommission
gesamtwirtschaftlich für unerheblich. Dies habe ein Test des Statistischen Bundesamtes ergeben. Das angeblich vorliegende Ergebnis hält die Monopolkommission geheim. Doch diesen Test gibt es
nicht. Er würde auch allen bisherigen Erkenntnissen widersprechen.
"Unqualifizierte Scharlatanerie"
Erhebliche Zweifel und Kritik am Vorgehen und den Angaben der Monopolkommission übt auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in seiner Stellungnahme vom Frühjahr 2009.
Nachdem sie bekannt wurde, verlor der Vorsitzende der Monopolkommission die Contenance: Er hielt dem Präsidenten des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert (CDU), vor, die Stellungnahme genüge
"keinerlei wissenschaftlichen Standards", sei "völlig irreführend", entspräche "noch nicht einmal der eines sorgfältigen Journalisten" und sei "einfach als unqualifizierte Scharlatanerie
abzutun". Dem Präsidenten des Deutschen Bundestages werde "mit aller größtem Nachdruck" nahegelegt, die Kritik des Wissenschaftlichen Dienstes zu revidieren. Der Bundestagspräsident hat jedoch
Ende 2009 die Kritik an der Monopolkommission wegen der "Einschränkung der Datenqualität und deren Nachprüfbarkeit" des Konzentrationsberichts ausdrücklich bestätigt.
Die Bundesregierung zeigt sich verunsichert: Einerseits hat sie Ende 2008 in ihrer obligatorischen Stellungnahme den Deutschen Bundestag erstmals weder über die konkreten Ergebnisse des
Konzentrationsberichts noch über die ihr bekannten Zweifel informiert. Andererseits hat die Bundesregierung Anfang 2010 ein externes Institut beauftragt, die Konzentrationsberichterstattung zu
"modernisieren". Danach sollen der Monopolkommission zukünftig Fragestellungen, Verfahren und Datenquellen mehr oder weniger vorgeschrieben werden.
Das Problem dabei: Die Monopolkommission ist als unabhängiger Sachverständigenrat nur dem Gesetzgeber verantwortlich. Wenn die Monopolkommission dessen Anforderungen nicht genügt, wäre es
Sache des Deutschen Bundestages, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Berichterstattung einstellen?
Schließlich: Der "Modernisierungs"-Auftrag der Bundesregierung läuft bis Ende September 2011. Der nächste realistische Berichtstermin der Monopolkommission wäre 2014. Das heißt, in dieser
Legislaturperiode werden weder die Bundesregierung noch die gesetzgebenden Körperschaften einen aussagekräftigen gesamtwirtschaftlichen Konzentrationsbericht erhalten. Im Moderniserungsauftrag
der Bundesregierung ist zudem keine Rede von der Widerherstellung einer umfassenden Datenbasis. Die Monopolkommission selbst erwägt seit längerem - gesetzlicher Auftrag hin oder her - die
gesamtwirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung ganz einzustellen. Aber: Davon kann sie weder die Bundesregierung, noch die Monopolkommission sich selbst entbinden.
Nach einer parlamentarischen Anfrage der SPD Ende 2008 und der Kritik des Wissenschaftlichen Dienstes Anfang 2009 werden Fragen zur Zukunft und Qualität der gesetzlichen
Konzentrationsberichterstattung der Monopolkommission auch in den Fraktionen lauter. Während die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP noch abwarten, haben die Oppositionsparteien detaillierte
Fragen an die Bundesregierung gerichtet. Der Tenor ist eindeutig: Das Parlament darf nicht übergangen und muss zumindest informiert werden.
Der Vorsitzendes des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestags, Eduard Oswald (CSU), teilte Anfang des Jahres auf Anfrage mit, er "gehe davon aus, dass sich der
Ausschuss in naher Zukunft mit der Thematik und der Arbeit der Monopolkommission intensiv auseinandersetzen wird."
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