"Was kann ich selber für eine bessere Welt tun?", will Juso Björn Czepan (28) von der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul wissen.
"Fair gehandelte Produkte kaufen!", antwortet die Ministerin. Unterdessen halten vier weitere Jusos des Unterbezirks auf der Bühne im Herner Museum für Archäologie einen großen blauen Gymnastikball
in den Händen. Das selbst gestaltete "Eine-Welt-Symbol" ist über und über mit Fragen-Postkarten beklebt, die die Jusos zusammengetragen haben. Neben den Jusos sind Vertreter von
Partnerschaftsvereinen und Verbänden, von Wohlfahrtsorganisationen und Kirchen, der Einladung des Herner SPD-Arbeitskreises "Eine bessere Welt" gefolgt.
So ein fair gehandelter Kaffee sei gar nicht teuer, führt die Ministerin aus. "Oder Ihr nutzt die Zivildienstzeit, oder ein soziales Jahr zur Aufbauhilfe. Dabei könnt ihr Erfahrungen sammeln
in anderen Kulturen und lernen, wie vielfältig die Welt ist." Das sei prägend, unterstreicht Heidemarie Wieczorek-Zeul und erhebt sich von der roten Couch in der Mitte der Bühne, um den blauen
Plastikball mit den aufgeklebten Fragen näher zu betrachten.
Und plötzlich geht das Licht aus
In nun fast zehn Jahren habe sie mit eigenen Augen gesehen, wie unterschiedlich die Welt wirklich ist, so die Bundesentwicklungsministerin. Sie reiste von Südafrika bis Nicaragua, kämpfte
gegen Armut und Hunger, entwickelte Programme zur medizinischen Versorgung und zum Wiederaufbau nach Kriegen und Naturkatastrophen, gab Hilfe zur Selbsthilfe - insbesondere für unterdrückte Frauen.
Manches Mal habe sie mit politisch Verfolgten in Kellern bei konspirativen Treffen zusammengesessen und über die Rettung von Gefangenen gesprochen. Einmal ging dabei plötzlich das Licht aus. Ein
anderes Mal wurde ein befreundeter Journalist ermordet, weil er nicht nachgelassen hatte, sich gegen Diktaturen und korrupte Regimes zu wehren - davon erzählt sie und das alles schreibt sie in
ihrem Buch.
Die Jusos staunen über die Geschichten der Ministerin, die ihre Hand unter den Ball hält, als wäre er zerbrechlich oder drohe zu stürzen. "Lassen Sie die Welt heute Abend ruhig in unseren
jungen Händen, Heidi", sagt Darius Ribbe (17) laut ins Mikrofon. Die Gäste lachen. Die Juso-Truppe setzt sich wieder ins Publikum und die rote Heidi auf die rote Couch.
In allem Unrecht den konkreten Menschen sehen
Zorn und Zärtlichkeit könne man deutlich zwischen den Zeilen lesen, deutet Martin Domke in seiner Laudatio das Engagement der 65-jährigen Politikerin. "Dabei ist Zorn ist nicht nur eine
negative Regung, die es zu unterdrücken gilt", so der Pfarrer. "Zorn ist jene Kraft, die uns wenigstens manchmal, zu einem klareren Blick verhilft. Wer angesichts der Weltlage nicht in Zorn gerät,
hat entweder nichts verstanden, kein Gefühl oder gehört zu jenen, die nichts mehr bewegen können, weil sie alles haben." Er selbst hat den Völkermord in Ruanda erlebt. "Zärtlichkeit ist jene andere
Kraft, die in allem Unrecht die konkreten Menschen sieht", ergänzt der Pfarrer. Jetzt strahlt Heidemarie. "Genau deswegen ist mein Ressort das schönste!", sagt sie, "weil man ganz konkret Menschen
helfen - und Menschenleben retten kann".
Wann denn das nächste Buch von ihr erscheinen wird, wollen die Jusos noch von der Ministerin wissen. Zehn Jahre mindestens müsse Sozialdemokratie darauf warten, sagt sie schmunzelnd und fügt
hinzu: "Und darin stehen dann vielleicht auch Geschichten aus dem Nähkästchen der alten Tante SPD."
Als Heidemarie Wieczorek-Zeul am Abend zurück nach Berlin fährt, liegt ein blauer Gummiball mit aufgeklebten Postkarten im Kofferraum ihres Autos. Sie hat versprochen, den Herner Jusos noch
alle übrigen Fragen zu beantworten.
Michelle Schumann
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