Sieben Millionen Minijobs gibt es in Deutschland. Meist werden sie schlecht bezahlt und die soziale Sicherung ist unzureichend. In einem gemeinsamen Aufruf fordern Frauen- und Sozialverbände, der DGB und Wissenschaftler die Sonderregelungen für Kleinstarbeitsverhältnisse zu reformieren.
Er sei kein Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Durch ihn werde Schwarzarbeit nicht in legale Beschäftigung umgewandelt. Stattdessen entfalte er eine nachhaltige Klebewirkung: Einmal Minijob, immer Minijob. Für DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach ist klar: „Der Minijob hat kein einziges Versprechen der Politik gehalten“, im Gegenteil: „Der Minijob ist eine Niedriglohnfalle" und verursacht "Maxiprobleme", erklärt sie am Dienstag zum Start der neuen Initiative für eine Reform der Minijobs in Berlin.
Niedriglohnfalle Minijob
Die besonderen Regelungen für diese kleinen Arbeitsverhältnisse „dienen den Arbeitgebern als Hebel zum systematischen Lohndumping“, kritisiert Buntenbach. Mit der Aussicht, „keine Steuern und Abgaben zahlen zu müssen“, arbeiteten Beschäftigte ohne soziale Absicherung und unter miserablen Arbeitsbedingungen, fügt sie hinzu.
Der Arbeitswissenschaftler Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen belegt dies mit aktuellen Zahlen. 2011 erhielten 71.2 Prozent der Minijobber einen Niedriglohn im Vergleich zu 23,1 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten, sagt er. Bezahlter Urlaub und bezahlte Feiertage und Krankheitstage würden vielfach verweigert. Die Chancen eines Wechsels in versicherungspflichtige Beschäftigung seien gering, die niedrigen Verdienste von Minijobbern müssten häufig aufgestockt werden. So entstünden „hohe Kosten für die Allgemeinheit“, betont Bosch
Arbeitnehmer in Minijobs würden zudem fast nie den tariflichen oder ortsüblichen Lohn für ihre Arbeit erhalten, erklärt Hannelore Buls, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Durchschnittlich 8,18 Euro die Stunde werde im Handel in NRW gezahlt, obwohl die Einstiegs-Tarifgruppe bei 12 Euro liege, so Buls. Alleine diese „Lohndifferenz von etwas 4 Euro entzieht, wenn man sie einmal für alle 7,4 Millionen Minijobs annimmt, den Sozialkassen jährlich über neun Milliarden Euro an Beiträgen.“
Ehe als Voraussetzung für Minijob
Für Buls steht der Minijob symbolisch für den Kampf zwischen den „Zuverdiener-Traditionalisten und einer zukunftsorientierten Frauen-Beschäftigungspolitik“. Denn vor allem für verheiratete Frauen sei der Minijob ein „Super-Kleber in perspektivelosen Jobs mit Aushilfe-Lohn“, erklärt Buls mit Verweis auf eine Studie von Carsten Wippermann über „Frauen im Minijob – Motive und (Fehl-)Anreize für die Annahme geringfügiger Beschäftigung im Lebenslauf“.
Aus dieser Studie geht hervor, dass 82 Prozent aller Frauen im Minijob pur (einzige Beschäftigung) verheiratet sind. Damit wird deutlich, dass die „Versorgung“ von Beschäftigten durch die Ehe eine der Voraussetzungen für den Minijob ist.
Im gemeinsamen Aufruf fordern Verbände, Wissenschaftler und Gewerkschaften deshalb, die Sonderregelungen für Minijobs abzuschaffen. Auch Minijobs müssten vom ersten Euro an sozialversicherungspflichtig werden. Alle Arbeitsplätze, heißt es dort, „müssen gleich behandelt, gleich bezahlt und gleich versichert sein.“
Mehr zum Thema Minijobs unter www.boeckler.de und www.dgb.de
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.