Mehrzahl der Kommunen sieht Mundschutzpflicht kritisch
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In Jenas Supermärkten müssen die Menschen demnächst ein Stück Stoff im Gesicht tragen. Die Stadt Jena plant als erste Kommune, das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes vorzuschreiben. In Verkaufsstellen, im Öffentlichen Personennahverkehr und in Gebäuden mit Publikumsverkehr muss vom 2. April an ein solcher Schutz angelegt werden. Wegen des herrschenden Mangels an Schutzmasken soll man sich nach dem Willen der Stadtverwaltung auch mit Tüchern oder Schals behelfen dürfen. „Diese müssen aber auch die Nase und den Mund abdecken”, heißt es auf der Internetseite der thüringischen Stadt.
Jena verweist auf das Nachbarland Österreich, dort dürfen ab Mittwoch Supermärkte nur noch mit Maske betreten werden – die Supermarktketten sollen die Masken am Eingang verteilen. Mittelfristig soll überall Maskenpflicht herrschen, „wo ein Kontakt zwischen Menschen stattfindet“, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). In Deutschland plant auch der Landkreis Nordhausen eine entsprechende Verfügung.
Bas: „Mundschutz alleine kein Ersatz für Vermeidung sozialer Kontakte“
Wichtig ist, sich klarzumachen, was das Tragen einer einfachen Gesichtsmaske bringt – und was sie eben nicht leistet: „Ein Mundschutz ist für sich alleine kein umfassender Schutz. Er ist kein Ersatz dafür, soziale Kontakte so weit wie möglich zu vermeiden“, warnt Bärbel Bas, die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Sie betont aber, dass er als Ergänzung und als weitere Maßnahme sinnvoll sein könne. Insbesondere für diejenigen, die mit vielen Menschen Kontakt haben müssen, könne man die Gefahr einer Tröpfcheninfektion so reduzieren – weil deren Risiko sinke, angesteckt zu werden.
Andere Kommunen sehen das Vorpreschen Jenas und Nordhausens allerdings eher skeptisch, was sich auf Nachfrage in mehreren Städten abzeichnet. Thüringens Landeshauptstadt Erfurt plant Ähnliches nicht. „Wir halten uns an das Robert Koch-Institut, das mitteilt, dass ein Mund-Nasen-Schutz das Ansteckungsrisiko für eine gesunde Person nicht signifikant verringert. Das Tragen einer Maske könne ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen, zentrale Hygienemaßnamen würden dann vernachlässigt“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt.
Leipzig warnt vor einer Insellösung
„Was nützt der Mund-Nasen-Schutz, wenn die Hände, die ihn anlegen, nicht gewaschen oder desinfiziert sind?“ Das Erfurter Gesundheitsamt empfiehlt deshalb nach wie vor gründliches Händewaschen, ausreichend Abstand halten und strenge Quarantäne in Corona-Verdachtsfällen als besten Schutz.
Die Stadt Leipzig präferiert eindeutig ein landesweites Vorgehen vor einer Insellösung. „Wenn wir aus den vergangenen Wochen eines gelernt haben, dann dass Insellösungen die Menschen eher verwirren“, betont ein Sprecher.
Kiel und Gelsenkirchen verweisen auf kritische Haltung der WHO
Der Kieler Gesundheitsdezernent Gerwin Stöcken sieht Alleingänge einzelner Städte kritisch: „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht sehr kritisch zur Maskenpflicht. Persönliche Schutzausrüstung ist weltweit sehr knapp und der Nutzen für nicht infizierte Menschen ist nicht nachgewiesen. Daher bin ich der Auffassung, dass wir eine bundesweit abgestimmte Vorgehensweise brauchen, die Ressourcen schont und einen nachweisbaren Nutzen hat. Viele unterschiedliche Regelungen signalisieren eine trügerische Sicherheit vor Infektionen.“
Ähnlich äußert sich Martin Schulmann, Pressesprecher der Stadt Gelsenkirchen. Auch er verweist auf die Haltung der WHO. „Laut Medienberichten gebe es sogar zusätzliche Risiken, wenn Menschen die Masken falsch abnehmen und sich dabei womöglich infizieren. Die WHO rät daher davon ab, Mundschutz zu tragen, wenn man nicht selbst krank ist. Diesem Rat folgt die Stadt Gelsenkirchen.“
Hamburg, Bremen und Potsdam: „Planen aktuell keine Masken-Pflicht“
Auf Anfrage sagte eine Sprecherin der Hansestadt Hamburg, aktuell sei keine Maskenpflicht geplant. Auch sie verweist auf die WHO und deren Warnung, dass zentrale Hygienemaßnamen wie eine gute Händehygiene vernachlässigt werden könnte. Sinngemäß sagte sie ebenfalls, zum Schutz der Mitmenschen könnte das Tragen eines „Mund-Nasen-Schutzes (MNS) oder einer alternativen, ggf. textilen Barriere“ sinnvoll sein, um das Risiko der Ansteckung durch Tröpfchen, welche beim Husten oder Niesen entstehen, zu verringern.
„Diese Diskussion ist auch in Bremen bekannt“, bestätigt Bremens Pressesprecher Lukas Fuhrmann, „aktuell steht eine Erkenntnis über den Nutzen einer solchen Maßnahme aber aus.“ Deshalb werde aktuell nicht darauf hingearbeitet eine solche generelle Pflicht einzuführen. Punktuell, zum Beispiel in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, ist dies aber durchaus sinnvoller, so Fuhrmann.
Potsdams Pressesprecher Markus Klier stellt klar, dass eine verpflichtende Einführung aktuell nicht geplant sei. „Auch wir diskutieren natürlich über alle Möglichkeiten der Eindämmung. Wer die Masken nutzen möchte, kann sie kaufen.“ Wichtig sei jedoch die Einhaltung des Kontaktverbots. Auch die Landeshauptstadt Mainz plant keine Einführung einer Maskenpflicht, bestätigte der Mainzer Pressesprecher Marc André Glöckner. Vorrangig müsse derzeit sichergestellt sein, dass Masken für das Personal im medizinischen Bereich in ausreichender Menge vorgehalten werden.
Malu Dreyer: „Kann als zusätzliche Maßnahme helfen“
Neben den kommunalen Behörden können auch die Bundesländer Anordnungen zum Tragen einer Mund-Nasen-Maske treffen, auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes – bisher gibt es solche Verfügungen nicht. Die Rheinland-Pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer will allerdings offenbar in Zukunft stärker auf Gesichtsmasken setzen, um die Geschwindigkeit der Ausbreitung des Virus zu begrenzen. „Der Einsatz von einfachen Mundschutz-Masken für die Bevölkerung könne als zusätzliche Maßnahme helfen, die Infektionsrate zu senken“, betonte sie am Dienstag in einer Pressekonferenz. Sinnvoll sei dies zum Beispiel beim Einkaufen oder im Öffentlichen Personennahverkehr. „Diese einfachen Masken dienen vor allem dem Fremdschutz wie beim Abstand-Halten“, so die Ministerpräsidentin. Eine landesweite Pflicht ist nicht geplant, bestätigte die Pressestelle auf Anfrage.
Um möglichst viele solcher Masken verfügbar zu machen, gebe es intensive Gespräche mit der Textilbranche und mit Schuhmanufakturen im Land, um eine Produktion anzukurbeln, führte Dreyer weiter aus. Parallel dazu würden die vielen ehrenamtlichen Initiativen im Land zusammengebunden.
Mundschutze sind Mangelware
Dreyer lobte: „Es ist ein ganz tolles Zeichen der Solidarität, dass jetzt sehr viele Initiativen entstehen, die diese waschbaren Baumwollmasken für andere Menschen und Klinikpersonal nähen, für Personal, welches nicht in direktem Kontakt mit den Patienten steht. Wichtig bleibt aber, auch mit Schutzmasken den notwendigen Abstand und Hygienevorschriften einzuhalten“, so die Ministerpräsidentin.
Zurzeit sind Mundschutze vielerorts Mangelware. Kommt eine Tragepflicht, so müssten wahrscheinlich viele Menschen selbst mit Nadel, Faden und Nähmaschine hantieren. In Jena jedenfalls gibt es einen dringenden Appell: „Nähen Sie sich selbst und anderen Menschen den wichtigen Mund-Nasenschutz, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Jede Maske ist besser als gar keine Maske.“ Eine Nähanleitung hat übrigens die Stadt Essen im Internet veröffentlicht.
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.