Der Anteil der Arbeitnehmer in Deutschland mit einem Einkommen unter 60 Prozent des Durchschnittseinkommens beträgt inzwischen beinahe ein Viertel aller Beschäftigten. 1,4 Millionen Menschen können von ihrer Arbeit nicht leben und müssen ergänzende Hartz IV Leistungen beantragen, davon 400000 mit Vollzeitarbeit.
Sieben Millionen Minijobber
Die Zahl der geringfügig beschäftigten 400-Euro-Jobber ist inzwischen auf etwa sieben Millionen geklettert, zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Die jährliche durchschnittliche Zahl der
Ein-Euro-Jobber hat 360 000 erreicht. Da diese Jobs im Allgemeinen nur sechs Monate andauern, gibt es etwa 700 000 Menschen, die im Jahr einen Ein-Euro Job ausüben. Die Zahl der Leiharbeitnehmer
hat sich in wenigen Jahren bis auf 800 000 verdoppelt. In der Wirtschaftskrise ist sie wieder gesunken- mit einem bitteren Preis für die betroffenen Menschen: Viele Leiharbeitnehmer haben die
Krise mit Entlassungen und Arbeitslosigkeit als erste und mit aller Härte zu spüren bekommen. Darüberhinaus sind etwa ein Achtel von Ihnen "Aufstocker", d.h. ihre Löhne sind so niedrig, dass sie
ergänzende Hartz IV Leistungen beziehen müssen.
Wenn wir den Marsch in die subventionierten Kombilöhne endlich stoppen wollen, müssen flächendeckend Mindestlöhne eingeführt werden. Den Anfang hatte die Große Koalition auf Initiative des
damaligen Bundesarbeitsministers Olaf Scholz (SPD) gemacht, indem die Gesetzgebung für die Allgemeinverbindlichkeit tariflicher Mindestlöhne verbessert wurde. Allerdings ist die
praktische-politische Umsetzung der Einführung der tariflich ausgehandelten Mindestlöhne durch die politischen Blockaden vor allem aus CDU /CSU und FDP stecken geblieben. In der schwarz-gelben
Regierungskoalition werden die Hürden ungeniert noch höher gesetzt.
Mindestlohn statt Kombilohn
Die Koalitionsvereinbarung verlangt eine Überprüfung der bereits eingeführten Mindestlöhne und lehnt entschieden einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ab. Die SPD ist gut beraten,
die drängende Notwendigkeit tariflicher und gesetzlicher Mindestlöhne immer wieder deutlich zu machen. Die von den DGB Gewerkschaften geforderte Mindestgrenze von 8, 50 Euro die Stunde als
Durchschnitt der gesetzlichen Mindestlöhne unserer europäischen Nachbarländer muss unterstützt werden. Dies entspricht etwa 50 Prozent des Durchschnittseinkommens und wäre gerade ausreichend, um
Armutsrenten zu verhindern.
Ebenso wichtig ist eine Verbesserung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes: Für Leiharbeitnehmer muss das Prinzip ohne Ausnahmen gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Zudem ist das
Synchronisationsverbot wieder einzuführen, damit Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei ihrem Verleiher haben, auch wenn der Auftrag ausgelaufen ist.
Ebenso dringend ist die Korrektur der gesetzlichen Grundlagen für die geringfügige Beschäftigung: Bis auf eine Bagatellgrenze müssten alle Arbeitsverhältnisse sozialversicherungspflichtig
sein, damit Arbeitgeber keine Anreize mehr haben, vollwertige Arbeitsplätze in Minijobs aufzuspalten. Zumindest müssen jedoch die regulären Arbeitsverhältnisse und die Minijobs bei der Bemessung
der Sozialversicherungsbeiträge wieder zusammengerechnet und die Anzahl der Stunden bei der geringfügigen Beschäftigung begrenzt werden.
Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.