Inland

Marshallplan mit Zukunft für junge Menschen

von Ursula Engelen-Kefer · 27. Januar 2012

Mehr als jeder fünfte junge Mensch der Altersgruppe 15-24 Jahre in Europa ist arbeitslos. Die von der EU Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit lassen ein überzeugendes Zukunftskonzept vermissen.

Auf den Staats- und Regierungschefs liegt eine schwere Bürde, wenn sie Ende März über den EU Fiskalpakt entscheiden. Damit werden die Bürger zu noch höheren Haftungen und Kürzungen sozialer Leistungen für Verantwortungslosigkeit und Versagen von Finanzinstituten und Politik verpflichtet. Ohnmächtig müssen sie das unverantwortliche Gezerre um die Rettung von Griechenland und die finanzielle Beteiligung der Verursacher der Krise- der Finanzbranche- verfolgen. Gleichermaßen beängstigend ist die Ratlosigkeit der Regierungen bei ihren ständig revidierten Entscheidungen über Ausmaß, Finanzierung und Kontrolle der unüberschaubaren finanziellen Rettungsschirme.

7,5 Millionen Menschen ohne Job
Die dringend erforderliche Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung erschöpft sich in vagen Absichtserklärungen. Dabei geraten immer mehr Euroländer in die Wirtschaftsrezession. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) hat gerade Alarm geschlagen: mit 45 Millionen sind derzeit in der EU weit mehr Menschen arbeitslos als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007. Die EU Kommission hat zum Jahresbeginn die Dramatik der Jugendarbeitslosigkeit hervorgehoben: 7,5 Millionen Menschen der Altersgruppe 15-24 Jahre sind weder erwerbstätig noch in der allgemeinen oder beruflichen Bildung. Damit ist mehr als jeder fünfte junge Mensch arbeitslos, davon ein Drittel bereits langzeitarbeitslos. In fünf EU Ländern ist die Arbeitslosigkeit junger Menschen inzwischen auf über 30 Prozent, in  Griechenland auf etwa 40 Prozent und in Spanien bald auf die Hälfte gestiegen. Nur in drei Mitgliedsländern der EU, einschließlich der Bundesrepublik, liegt die Arbeitslosigkeit junger Menschen unter 10 Prozent.

Die von der EU Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit lassen ein überzeugendes Zukunftskonzept vermissen: Die bisher nicht abgerufenen Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für berufliche Qualifizierung und Eingliederung werden den Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung gestellt. Dies muss allerdings ohne die sonstige finanzielle Eigenbeteiligung erfolgen.  Die Gewährung einer Ausbildungs- oder Beschäftigungsgarantie erschöpft sich in vagen Absichtserklärungen. Die bessere Nutzung der grenzüberschreitenden Arbeitsvermittlung (Eures) ist abhängig von der Mitwirkung der Unternehmen, Arbeitsverwaltungen und Regierungen.

Teilzeit, Leiharbeit und Niedriglöhne
Die dringend erforderliche Förderung der betrieblichen Berufsbildung ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Nur wenige EU Länder haben überhaupt ein System betrieblicher Berufsbildung. Dabei müsste gerade hier „geklotzt“ und nicht „gekleckert“ werden: Untersuchungen sowie Erfahrungen - insbesondere in der Bundesrepublik - zeigen deutlich, dass hierdurch jungen Menschen der Einstieg in das Erwerbsleben erheblich erleichtert und damit Jugendarbeitslosigkeit verhindert werden kann. Eine wesentliche Voraussetzung ist die gemeinsame Verantwortung der Tarifparteien und der Politik.

Im Gegensatz dazu sind die Vorschläge zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen umso konkreter. Zu verstehen ist darunter die Ausweitung der prekären Beschäftigung. Bereits heute leiden gerade die jungen Menschen in der EU unter befristeter Beschäftigung, erzwungener Teilzeit, Leiharbeit sowie unsicherer Selbständigkeit mit Niedriglöhnen, oft ohne soziale Sicherung und hohem Risiko der Arbeitslosigkeit. Dabei wird ein „alter neoliberaler Hut“ aus der Mottenkiste gezogen: die Brandmarkung des Kündigungsschutzes für die hohe Arbeitslosigkeit junger Menschen. Damit wird ein weiterer Keil zwischen die  Generationen  getrieben, um von den ungelösten Strukturkonflikten gerade in den überschuldeten Euroländern abzulenken.

Bleibt nur zu hoffen, dass bis zu den endgültigen Entscheidungen über den EU Fiskalpakt Erkenntnis und Bereitschaft zu einem „Marshallplan“ mit überzeugenden Zukunftsperspektiven für junge Menschen reifen.

 

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Ursula Engelen-Kefer

Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.

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