Unserer Wirtschaft geht es besser, doch das Staatsdefizit steigt. Nicht nur in Deutschland. Weltweit steigt die Arbeitslosigkeit und es fehlt Geld zur Bekämpfung von Armut. Ein großes Bündnis
aus Parteien, Gewerkschaften und gesellschaftlichen Organisationen macht sich deshalb für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer stark, einer geringen Steuer von nur 0,1 Prozent auf alle
Spekulationen am Finanzmarkt. Nach Schätzungen des
Deutschen Gewerkschaftsbundes könnte sie allein in Deutschland bis zu 12 Milliarden Euro einbringen. Doch auch zwei Jahre nach der Lehman Pleite können sich die
politischen Machthaber nicht auf die Einführung dieser Steuer einigen.
Politisches Handeln gefragt
Deshalb lud die
SPD zur Konferenz. Thema: "Die Finanztransaktionssteuer: Ursachen der Krise bekämpfen - Verursacher an den Kosten beteiligen". Ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel
machte gleich zu Beginn der Veranstaltung klar, dass er diese Steuer für das richtige Instrument halte, um die "Auswüchse des Kasino-Kapitalismus" zu bekämpfen. "Wir müssen Spekulation teuer
machen, indem wir sie besteuern", sagte er. "Wir müssen die Verantwortlichen an den Kosten der Krise beteiligen und wir müssen verhindern, dass sie sich wiederholt", fuhr er fort.
Und weil das "Bündnis der Verhinderer" groß ist, will die SPD mit einem gemeinsamen Volksbegehren auf EU-Ebene die erste europäische Bürgerinitiative nach dem Lissabon-Vertrag ins Leben
rufen. "Das Thema Finanzmarktregulierung und die Einführung einer europäischen Spekulationssteuer muss auf die Tagesordnung des EU-Parlaments kommen", forderte Gabriel.
Unterstützung ist ihm gewiss. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund will die Steuer. Denn, "wir wissen alle noch nicht, wie wir künftig zur Kasse gebeten werden", gab DGB-Chef Michael Sommer
zu Bedenken. Rettungspakete hätten die öffentlichen Kassen stark belastet. "Die Zeche zahlen arbeitende Menschen und kleine und mittlere Unternehmen und das weltweit", sagte Sommer. Aus diesem
Grund habe sich die Weltgewerkschaftsbewegung auf ihrem Gipfeltreffen im Juli dieses Jahres einstimmig für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Sommer betonte: "Dies war das erste Mal,
dass es eine so große Einigkeit gab."
Kleine Steuer, große Wirkung
Doch nicht nur SPD und Gewerkschaften sind von der Notwendigkeit einer Börsensteuer überzeugt. Der Vorsitzende des Evangelischen Entwicklungsdienstes, Bischof Markus Dröge, will die
Einnahmen aus der Abgabe nutzen, "um die wachsende Schere zwischen arm und reich zu schließen." Der Vorsitzende des Evangelischen Entwicklungsdienstes warnte vor einer tiefen Vertrauenskrise, die
den Sozialstaat Deutschland zu sprengen drohe und forderte eine neue Kultur des Helfens. "Die Ideologie des entfesselten Liberalismus widerspreche einem christlichen Freiheitsverständnis, wonach
sich Freiheit gebunden weiß", sagte Dröge.
Dem pflichtete Bärbel Dieckmann bei. Die Finanzkrise habe besonders die armen Länder getroffen, weiß sie als Präsidentin der
Welthungerhilfe aus Erfahrung zu berichten. "Wer um die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit in den reichen Ländern weiß, muss sich die Auswirkungen in
jenen Ländern vorstellen, in denen es keine soziale Sicherung gibt", so Dieckmann. Die durch die Krise verursachte Finanzlücke der EU fehle bei der weltweiten Armutsbekämpfung. Eindringlich
forderte sie auf, nicht wieder über Umgehensstrategien zu diskutieren, sondern endlich gemeinsam zu handeln.
Doch ein gemeinsames Handeln scheitert bereits auf Europäischer Ebene. Der finanz- und wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im EU-Parlament, Sven Giegold, sprach von
Machtkämpfen, die außerhalb der Öffentlichkeit stattfinden: Kein Land wolle seine Privilegien aufgeben. "Wir haben einen gemeinsamen Binnenmarkt, aber die Steuerpolitik wird auf nationaler Ebene
verhandelt."
Pro und Kontra
Und wie beurteilen die geladen Vertreter der Banken die Steuer? Heinrich Haasis, Präsident des deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, befürwortet die Abgabe, der Chefvolkswirt der
Deutschen Bank Group, Thomas Mayer, hält sie für nicht effektiv. Denn ergiebig sei die Steuer nur, wenn alle Länder mitziehen würden, "wenn welche ausbüchsen und Löcher im System sind, werden die
Global-Player ein neues settlement finden", ister überzeugt.
Der Protest blieb nicht aus. Auch wenn es zu Abwanderungen kommen werde und einzelne Märkte verschwinden würden, sei nun die Chance gegeben, die Steuer in der Eurozone einzuführen, sagte
Haasis: "Die Staaten brauchen die Einnahmen dringend." Und Giegold betonte: "Es muss Möglichkeiten geben, Grenzen zu setzen." Er unterstütze ein europäisches Volksbegehren, "denn wir sind auf der
zivilgesellschaftlichen Ebene der EU nicht gut organisiert." Gleichzeitig forderte er Mayer auf, eine Alternative zu benennen, um die verheerenden Folgen der Krise zu entschärfen.
Eine Antwort auf die Frage bleibt Mayer schuldig. Aber auch die anderen Teilnehmer räumten ein, dass die Steuer nicht ausreiche, eine neue Krise zu verhindern. Die Märkte brauchen weitere
Regeln. Einig waren sie sich jedoch darin, dass die Abgabe helfen kann, die schlimmsten Folgen abzufedern. Denn, so Bärbel Dieckmann: "Wir brauchen nicht nur gute Ideen um Armut zu bekämpfen, wir
brauchen auch Geld."
Über eine Finanztransaktionssteuer (FTT) werden alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen mit Finanzwerten wie Aktien, Anleihen, Finanz- und Rohstoffderivate sowie alle Devisentransaktionen auf Spot- und Terminmärkten mit einer minimalen Umsatzsteuer belegt. Mehr Informationen Veranstaltung unter zur Kampagne Steuer gegen Armut unter http://www.t88198792.de/spd/spd.html Mehr Informationen zur Kampagne Steuer gegen Armut unter www.steuer-gegen-armut.org
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.