Lauterbach fordert mehr Pfleger und weniger Bürokratie
Deutschland droht ein Pflegenotstand. In der SPD sei dieses Thema deshalb „Chefsache“, sagt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Am Montag stellte er Eckpunkte für eine Pflegereform vor.
Die Lebenserwartung der Deutschen steigt. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Die Pflegeversicherung könnte deshalb in Zukunft an ihre Grenzen stoßen, denn auch die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt zu. Gleichzeitig gibt es zu wenige Pfleger, um den steigenden Bedarf zu decken.
„Im Jahr 2013 wird der stationäre und ambulante Pflegebedarf bei drei Millionen Pflegebedürftigen liegen“, sagt Karl Lauterbach. Er hat die Presse in einen Konferenzraum im Bundestag eingeladen. In Peer Steinbrücks Kompetenzteam ist er für die Bereiche Gesundheit und Pflege zuständig. Nun stellt er seine Vorschläge für eine Pflegereform vor.
Wie bei der Krankenversicherung wolle die SPD auch im Bereich Pflege eine Bürgerversicherung einführen, erklärt Lauterbach. Die Risiken für die privaten und gesetzlichen Versicherungen sollen dadurch ausgeglichen werden.
Die Pfleger sollen pflegen – nicht dokumentieren
Den Alltag der Pfleger will Lauterbach entbürokratisieren. Einen großen Teil ihrer Arbeitszeit verbringen Pflegerinnen und Pfleger damit, ihre Arbeit zu dokumentieren. Das soll entfallen. Stattdessen soll die Qualität der Pflege künftig durch stichprobenartige, unangekündigte Überprüfungen kontrolliert werden.
Verbessert werden soll die Pflege durch einen Mindestpersonalschlüssel in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten. Anders gesagt: Es sollen mehr Pfleger eingestellt werden, denn schon heute ist das Personal häufig überlastet. „Das Problem verstärkt sich noch, wenn die Arbeitsbedingungen erst einmal so schlecht sind, dass Auszubildende den Pflegeberuf wieder verlassen“, sagt Lauterbach. Von diesem Punkt sei das deutsche Pflegesystem nicht mehr weit entfernt.
Damit es nicht soweit kommt, will Lauterbach auch die Ausbildung von Pflegern verbessern. Sie soll stufenweise kostenlos werden. Vermehrt will Lauterbach auch Migranten für eine Pflegerausbildung gewinnen. Denn viele Pflegebedürftige sprechen kein deutsch. Zudem sollen die Pfleger durch einen verbindlichen Mindestlohn vor Ausbeutung geschützt werden.
Der Beitragssatz soll steigen
Diese Vorschläge kosten Geld. Den Beitragssatz für die Pflegeversicherung will Lauterbach deshalb erhöhen. Gespart werden könnte auch bei den Arzneimitteln, vermutet Lauterbach. „Oft werden routinemäßig teure und kaum getestete Medikamente verwendet“, sagt Lauterbach. Insgesamt würden zu viele Mittel verabreicht, die wenig bewirkten, dafür aber gefährliche Nebenwirkungen mit sich ziehen könnten – vor allem dann, wenn man sie kombiniere. Deshalb will Lauterbach genauer prüfen lassen, welche Medikamente sich wirklich vertragen.
Mehr Geld will Lauterbach für Psychotherapien in der Pflege ausgeben. „Depressionen sind ein Beschleunigungsfaktor für Demenz“, erklärt er. Denn der Stoffwechsel im Gehirn leide bei Depressionen. Die Folge: Schon nach einem halben Jahr können dauerhafte Gedächtnisstörungen auftreten.
Ob jemand pflegebedürftig ist, soll künftig nicht mehr vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung entschieden werden, fordert Lauterbach. „Die Bewertung muss von neutraler Seite erfolgen“, sagt er.
Mehr Unterstützung auch für Angehörige
Fördern will Lauterbach auch sogenannte „Pflege-WGs“, also Projekte, bei denen Menschen die Pflege ihre Angehörigen gemeinsam organisieren. Kommunen sollen mit steuerlichen Anreizen dazu gebracht werden, mehr barrierefreie Sozialwohnungen zu bauen.
Die Vereinbarkeit von Angehörigen-Pflege und Beruf will Lauterbach verbessern. So sollen den Pflegenden keine Nachteile bei den Rentenansprüchen entstehen, wenn sie auf Arbeit aussetzen müssen. Wenn die Pflegenden selbst mal erkranken oder in den Urlaub fahren wollen, sollen künftig Pflege-Assistenten einspringen können – ohne viel Bürokratie oder hohe Kosten für die Familien.
„Für die Bundeskanzlerin ist die Pflege überhaupt kein Thema“, schimpft Lauterbach zum Schluss. Sie äußere sich dazu so wenig, dass er nicht einmal wisse, was Merkel zu dem Thema denke. In der SPD sei die Pflege dagegen „Chefsache“, sagt Lauterbach. Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel würden sich in den nächsten Tagen dazu äußern.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.