Die Bundestagswahl hat die Sozialdemokratie hart getroffen. Nur noch halb so viele Menschen wie 1998 haben ihr Kreuz bei uns gemacht. Wir haben Stimmen in alle Richtungen verloren - an die
Linkspartei, aber mehr noch an die Union, die FDP und die Grünen. Vor allem aber sind mehr als zwei Millionen SPD-Wähler gar nicht an die Urnen gegangen.
In dieser Situation helfen einfache Antworten nicht weiter. Wir müssen die Kraft zur Besinnung finden. Wir müssen uns Zeit zur Diskussion nehmen. Sehr genau prüfen, welche Fehler gemacht
wurden und was wir daraus lernen können. Aber auch, was uns in Regierungsverantwortung gut gelungen ist. Wir dürfen uns nicht kopflos von den elf Regierungsjahren distanzieren, in denen wir
Deutschland stark gemacht und vorangebracht haben. Sonst würde die SPD insgesamt unglaubwürdig.
Das Ringen der SPD
Wir haben viel erreicht, besonders wenn wir die Zwänge in Rechnung stellen, welche die globale Dominanz des neoliberalen Denkens ausgeübt hat. Wir haben die Sozialsysteme für das Zeitalter
der Globalisierung zukunftsfest gemacht, ohne sie zu privatisieren, wie viele in Union und FDP von uns gefordert haben. Wir haben die Energiewende durchgesetzt: den Ausstieg aus der Atomkraft und
den massiven Umstieg auf Erneuerbare Energien. Wir haben Deutschlands außenpolitische Rolle weiter entwickelt: seiner internationalen Verantwortung bewusst, Frieden und Ausgleich verpflichtet,
mit selbstbewusster Stimme wie beim Nein zum Irak-Krieg. Wir haben Zukunftsthemen der Außenpolitik auf die Tagesordnung gesetzt: Abrüstung, die Integration neuer Mächte auf der Weltbühne, die
vorausschauende Lösung von Konflikten um knapper werdende Rohstoffe und Energie. Die SPD hat gerungen, mit sich selbst und mit den Herausforderungen. Unsere Politik hatte Kurs und Plan. Wer
glaubt, das verstehe sich von selbst, der werfe einen Blick in den Koalitionsvertrag von Union und FDP.
Noch wichtiger als der Blick zurück ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten jetzt aber der Blick nach vorn. Die SPD muss sich neu aufstellen. Die Bundestagsfraktion muss und
will dabei ein Kraftzentrum sein. Auch als größte Oppositionspartei tragen wir Verantwortung für die Menschen und unser Land. Noch nie war ein Koalitionsbündnis so schlecht auf das Regieren
vorbereitet wie Union und FDP im Jahr 2009. An uns liegt es jetzt, dieser Regierung unsere besseren Alternativen entgegenzuhalten - besonders bei den großen Richtungsfragen unseres Landes: der
Arbeit von morgen, den Lehren aus der Finanzkrise, der Chancengleichheit aller, ob hier geboren oder eingewandert, der neuen Art zu leben und zu wirtschaften, um nachhaltigen Wohlstand zu
schaffen. Mit dem SPD-Regierungsprogramm und dem Deutschland-Plan haben wir gute Grundlagen, die wir weiter entwickeln. Damit bieten wir bessere und konkretere Zukunftsperspektiven als Union und
FDP mit ihrem dürftigen Papier, das sie als Koalitionsvertrag bezeichnen.
In der neuen Bundestagsfraktion sind wir kleiner an Köpfen, aber nicht schwächer an Überzeugung und Kampfgeist. Unsere neue Führung ist ein kraftvolles Team aus Erfahrung und Jugend, Frauen
und Männern, unterschiedlichen Gruppen und Flügeln. Ich arbeite für eine Fraktion, in der wir lebendig diskutieren, aber uns gemeinsam als sozialdemokratische Kraft verstehen.
Kultur des "Herzlich willkommen"
Und ich will den engen Schulterschluss mit der ganzen Partei pflegen. Es ist gut und richtig, dass wir mit einer breit aufgestellten Partei- und Fraktionsspitze dafür kämpfen, dass es für die
SPD wieder aufwärts geht. Wir wissen alle: Die SPD muss sich wieder stärker öffnen und auf Menschen zugehen, in alle Richtungen der Gesellschaft. Wir müssen unser Profil schärfen, aber viel
stärker auch eine Kultur des "Herzlich willkommen" vorleben. Nur wer wirklich neugierig ist, kann Interesse wecken und Vertrauen neu gewinnen. Die Bundestagsfraktion kann dabei wertvolle
Unterstützung leisten. Wir werden Schwarz-Gelb eine harte, konstruktive Opposition liefern. Aber unsere Arbeit in der Opposition wird sich nicht auf die Debatten und Ausschusssitzungen im
Parlament beschränken. Ich wünsche mir, dass Fraktion und Partei sich gerade jetzt in der Opposition sehr eng miteinander vernetzen. Gemeinsam müssen wir deutlich machen, dass die
Sozialdemokratie lebt - nicht nur als Idee und Tradition, sondern als lebendige Kraft im Alltag der Menschen.
Die Fraktionsführung
Frank-Walter Steinmeier stehen neun Stellvertreter zur Seite: Gernot Erler (zuständig für den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik), Elke Ferner (Gesundheit und Soziales), Hubertus Heil
(Wirtschaft und Arbeit), Ulrich Kelber (Umwelt), Joachim Poß (Haushalt und Finanzen), Florian Pronold (Verkehr), Olaf Scholz (Innen und Recht), Angelica Schwall-Düren (EU-Angelegenheiten),
Dagmar Ziegler (Familie, Frauen, Senioren, Jugend und Bildung).
Stellvertreter des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers Thomas Oppermann sind Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ute Kumpf und Christian Lange. Zur Justiziarin wurde Brigitte
Zypries gewählt.